Musik.Leitung: Ivo Hentschel
Inszenierung: Arila Siegert
Ausstattung: Moritz Nitsche
Premiere: 20.Juli 2018
Löblich, dass der Sohn von Siegfried Matthus, Frank, zum Auftakt seiner Intendanz eine Kammeroper neu in Auftrag gegeben hat, "Adriana".
Leider ist es ein ziemlicher Schmachtfetzen, musikalisch wie stofflich, über den man besser die Decke des Schweigens breitet. Daran konnte auch die teilweise beherzte Regie von Bernd Mottl nichts ändern.
Kritiken: "Die Kammeroper sprengt mit ihrer Poppea Grenzen"
Karola Obermüller. Eine der sechs Komponisten der Rheinsberger Opernwerkstatt, die einzige Frau. Dunkelrot heißt ihr Stück. Musikalisch die interessanteste Vorlage. Eine Geschichte um eine afrikanische Rechtsanwältin, die Asyl sucht in Deutschland.
Einen ganz anderen Ansatz verfolgt Mario Wiegand. Er arbeitet an einer Kinderoper. Kater, erzähl mir ein Märchen! heißt sie. Tierfiguren wie Katze, Ente, Elefant sind die tragenden Rollen. Und ein Opernabonnent, der endlich mal sich Gehör schaffen will. Die Musik ist witzig gemacht, erinnert etwas an Schostakowitsch und Strawinsky.
Auch Historisch-Romantisches, Mythologisches, Literarisches und Satirisches ist im Angebot wie ein gemeinsames Mittagessen von Hitler, Himmler, Göhring und Eva Braun in der Wolfsschanze.
So Siegfried Matthus. Er hat nach der Wende die „Kammeroper Schloss Rheinsberg“ gegründet. Die Opernwerkstatt war immer sein besonderer Traum. Nun konnte er den zum zweiten Mal realisieren, auch wenn das Geld dafür erst in letzter Minute sicher war. Mit den Kollegen Aribert Reimann und Georg Katzer hat er dem kompositorischen Nachwuchs assistiert.
Künstlerisch erfolgreich, hatte Matthus in diesem Jahr besonders gegen die Widrigkeiten des Wetters zu kämpfen. Fast nichts konnte wie geplant unter freiem Himmel stattfinden. Der Torismus in dem kleinen Städtchen im Brandenburgischen Norden freilich blüht. Will Matthus also weiter machen wie bisher?
Schon Theodor Fontane fragte sich, warum der kluge, geistvolle Prinz Heinrich, dies von den nobelsten Empfindungen inspirierte Menschenherz, so viel weniger populär wurde als sein trotz all seiner Voltaire-Schwärmerei eher von kurbrandenburgischer Derbheit geprägter Bruder Friedrich. Fontane führte Heinrichs mangelnde Volkstümlichkeit zurück auf das prononciert Französische in seiner Art. Des Prinzen kostbarste Hinterlassenschaft, das 1774 eingeweihte Theater, jedenfalls stand seit Heinrichs Tod 1802 verwaist. 1945 in den letzten Kriegstagen zerfetzte eine Granate das Dach. Das Gebäude, im Inneren wesentlich aus Holz gebaut, verfiel mangels Sicherung. Die DDR, die in den Schlossanlagen ein Sanatorium untergebracht hatte, wollte es ganz abreissen. Als Siegfried Matthus nach der Wende in Rheinsberg seine Kammeroper für junge Bühnenkünstler eröffnen konnte, setzte er den Wiederaufbau dieses Theaters - von vielen belächelt - gleich mit auf die Agenda. Nun konnte die Wiedereröffnung gefeiert werden.
Für 14 MioDM ist hier
ein Studiotheater entstanden, das dank seiner Variabilität im Inneren das
wieder ermöglichen könnte, was Rheinsberg zu Zeiten Friedrichs und
mehr noch zu denen Heinrichs einmal war: ein Musenhof, der Publikum
bis aus dem hundert Kilometer entfernten Berlin anzog und von dem eine 1791
nach der Revolution in Frankreich an diesen Ort geflüchtete Marquise meinte,
auch für ein Pariser Publikum hätte dies Theater Besonderes zu bieten. Bis
zu 350 Besucher finden Platz. Variabel sind durch Hubpodien Bühne sowie
Parkett gestaltet. Einladend treten unter dem Rohputz die massiven
Backstein- und Sandsteinfindlingswände des Baus schon im Eingangsfoyer
zutage. Die Technik wird auf einer umlaufenden Brüstung installiert. An der
Decke des Raums hängt ein Stahlkonstrukt in moosgrau mit konvex geformten
Beleuchtungs- und Reflexionselemente.
Die
Theatereinweihung ist Teil einer Rekonstruktion der Schlossanlagen, die
2002 beendet sein soll. Mit dem schon neu erbauten Künstlerhaus und der
Renovierung des Kavalierhauses als Residenz der Musikakademie werden
insgesamt 23 Millionen DM investiert. Die Eröffnungspremiere,
Siegfried Matthus' zehnte Oper Kronprinz Friedrich,
huldigt zwar nicht dem eigentlichen genius loci, dem Theatergründer Prinz
Heinrich, sondern seinem, mit Fontane zu sprechen, "derberen" Bruder. Es
ist indes eines der stärksten Werke des mittlerweile 65jährigen
Komponisten und Festivalmachers. Wie im für die Wiedereinweihung der
Semperoper 1985 entstandenen Cornet widmet die neue Oper sich den
Nöten Pubertierender.
Erzählt
wird (Libretto: Thomas Höft) in abwechselnd dramatischen
und epischen Szenen die Beziehung des jungen Friedrich zu Leutnant Katte
einerseits und zur Kantorentochter Dorothea Ritter andererseits, die
geplante und vereitelte Flucht der jungen Leute ins freier leuchtende
England, der Prozess, die Beugehaft Friedrichs und die Hinrichtung Kattes.
Besondere musikalische Attraktion von Matthus' 70minütiger, höchst expressiver Oper ist die Besetzung des Kammerorchesters mit unter anderem einem Ensemble von 14 Flöten - vom pfeifenden Piccolo bis hinunter zur übermannsgroßen, einen samtenseidigen Klang verströmenden Subkontrabassflöte. Höhepunkt ist die Auspeitschungsszene. Der fromme Choral Was Gott tut, das ist wohl getan wird da garniert mit Rutenschlägen aufs Podium. Unter Rolf Reuters straffer Leitung tun sich vor allem Karen Leonie Leiber in der Hosenrolle des Kronprinzen Friedrich und Julia Rempe als Dorothea hervor. Auch die übrigen Rollen dieser vor allem hörenswerten Produktion (Regie: Götz Friedrich seine letzte Uraufführungs-Produktion], Bühne: Reinhart Zimmermann) sind durchweg hervorragend besetzt.
In Rheinsberg geht’s
mittlerweile an manchen Wochenenden zu wie in einem Bienenstock mit Blasmusik-Umzügen,
Modenschauen in den Cafés. Verhallt die märkische Ruhe von einst.
Nebeneffekt von Siegfried Matthus’
unermüdlichem Werben für sein Nachwuchs-Sänger-Projekt „Kammeroper Schloss
Rheinsberg“. Im elften Jahr ist es größer den je. Der Etat ist
angeschwollen auf mittlerweile 1,8 Millionen DM. Aus Mitteln der
Gema-Stiftung kann Matthus demnächst auch seinen lang gehegten Wunsch einer
Opernwerkstatt für junge Komponisten realisieren. Die Ausschreibungen
sollen jetzt erfolgen.
Eher ruhig ist’s an
diesem Sonnabend-Nachmittag. Die Wetterfrösche
quaken zwar "schönes Wetter heute Abend". Und die Sonne kommt dann auch
tatsächlich noch mal wieder. Aber es regnet bis eine halbe Stunde vor dem
avisierten Vorstellungs-Beginn, dazu lausig kalt. Statt im Heckentheater
Cäsar und Cleopatra im Kampf mit den Mücken also Umzug in die
trockene, insektenfreie Lagerhalle am Ortsrand. Die ist inzwischen zwar
auch recht ordentlich hergerichtet, akustisch allerdings noch heikler, und
Sicht auf die Bühne nur auf den vorderen Plätzen garantiert. Im Preußenjahr,
für das das Publikum sonst aber diesmal nach der großen
Wiedererweckungsshow vor knapp zwanzig Jahren offenbar nur wenig sich
begeistern kann, hat Matthus die Oper
hervorgeholt, die der Rheinsberger genius
loci, Friedrich II, nach seinem Aufstieg auf den Berliner Regenten-Thron
1742 zur Einweihung seines neuen Opernhauses Unter den Linden sich von
Hofcompositeur Carl Heinrich Graun schneidern
ließ. 1992 zur Eröffnung seiner Amtszeit ließ Daniel Barenboim sie an dem
Hause schon mal hervor kramen, damals in einer mustergültigen Produktion
unter René Jacobs und mit Fred Berndt als Regisseur und Ausstatter. Daran
erinnert man sich aber bei dieser Rheinsberger Wiederbegegnung besser nicht.
Matthus' Kosten minimierende Koproduktions-Strategie führt ihn bisweilen seltsame
Wege. Das Theater Hof, das er sich - nach einer Produktion seiner
Farinelli-Oper dort vor Jahren - als
Partner ausgeguckt hat und wo die Produktion zu Beginn der kommenden
Spielzeit auch noch ein paar Mal wiederholt werden soll, bietet mit seinem
künstlerischen Leitungs-Personal doch allzu wenig Reize.
Vom Regisseur
Uwe Drechsel werden die jungen Sängerinnen und
Sänger mit hilflosem Steh- und Posentheater kläglich im Stich gelassen.
Der Dirigent Roger Boggasch, zum ersten Mal
mit Barock-Oper befasst, gibt sich zwar erkenntliche Mühe bei der
Akzentuierung und Phrasierung des gefälligen musikalischen Textes. Aber
die Brandenburger Symphoniker können da auch nur begrenzt folgen. Vieles
klingt dumpf, zu sehr vermisst man den barocken Silberklang. Und die
jungen Sängerinnen und Sänger können auch nur bedingt überzeugen. Mit
zierlicher Stimme und auch schon gewisser Bühnenausstrahlung die Cleopatra
der Koreanerin Bin Lee. Überforciert singend und eher verkrampft agierend
aber der Cäsar der Bulgarin Dora Kutschi. So
was wie Liebesspiel zwischen den beiden entwickelt sich da nie. Eher ein
unsinniges Feixen untereinander und Flirten zum Publikum mit Beifall
heischenden Verbeugungen an den Arien-Enden. Insgesamt schwach die wenigen
Männer. Gibt’s zu wenig Auswahl? Waren sie falsch eingesetzt, technisch
überfordert? Von den Nebenfiguren noch am interessantesten die Schwedin
Cäcilia Lindwall als Cäsars Vertrauter Lentulo, aber die Regie versagt auch hier
vollkommen, ihre Verkrampfungen zu lösen wie auch der Süd-Koreanerin Kim
Kyong-Suk den aufgesetzten Puccini-Pomp als Pompeo-Witwe Cornelia zu nehmen.
Matthus, der in diesem Jahr
neben einer konzertanten Werther-Aufführung zu Beginn unter anderem
eine von den beiden Herrmanns "künstlerisch beratenes"
Pasticcio diverser Orpheus-Kompositionen
von Peri bis Offenbach an verschiedenen Orten
des Schlossparks fürs Programm aufgeboten hatte, wird doch wieder mehr
darauf achten müssen, dass die jungen Sängerinnen und Sänger musikalisch
wie szenisch auch wirklich sie fordernde und fördernde Aufgaben bekommen,
soll die "Kammeroper" nicht als bloßer Streusel auf dem touristischen
Backblech verkrümeln.