dob 2000-04

 

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Kirsten Harms kommt * Thielemann geht

Fanciulla del West
Die tote Stadt
I puritani
Don Pasquale
Semiramide
Salome
Idomeneo
Offenbach-Ballett
Silja in Jenufa
Werther
St.Francois
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Fidelio
Hoffmann
Requiem
Intolleranza
Nabucco

Die Neue an der Spitze

Kirsten Harms kommt als Intendantin

25.05.2004
Harms HARMS: Es tritt hiermit eine Künstlerin an die Spitze des Hauses und ich nenne dies ein Signal.

So die neue Intendantin der Deutschen Oper Berlin bei ihrer Vorstellung und öffentlichen Vertragsunterzeichnung. Nicht mehr Generalintendantin sondern schlicht Intendantin wird sie sein. Das aber für sieben Jahre und ab 1.September. Es sei wichtig, dass das Haus von einer Künstlerin geführt werde, nicht von einem Ökonomen, betonte sie. Gleichwohl werde eine der wichtigsten Aufgaben sein, das Haus neu zu positionieren in den „Verteilungskämpfen“ der Opernstiftung.

Als Regisseurin ist sie zunächst nicht gefragt. Das Programm für die kommenden zwei Jahre ist festgezurrt noch von Vorgänger Udo Zimmermann. Kümmern muss sie sich vor allem um eine innere Harmonisierung des Hauses. Eigentlich war sie, wie die gebürtige Hamburgerin (Jahrgang 1956) jetzt bekannte, schon nach dem Tod ihres Lehrers Götz Friedrich angefragt worden. Es war ihr damals zu früh. Sie wollte ihre Kieler Amtszeit (1995-2003), bei der sie mit Delius- und Schreker-Ausgrabungen sowie einem Ring gepunktet hatte, in Ruhe zu Ende bringen. Und erst bei ihrer Semiramide-Inszenierung letztes Jahr lernte sie das Haus auch von innen kennen.

Kultursenator Thomas Flierl verneinte einen ursächlichen Zusammenhang der Vertrags-Unterzeichnung mit Kirsten Harms jetzt und der Demission Christian Thielemanns vergangene Woche. Man habe an einer Anpassung der Verträge von Thielemann und Harms gearbeitet. Eine der wichtigsten Entscheidungen der künftigen Intendantin werde gleichwohl sein, einen neuen Chefdirigenten oder eine Dirigentin zu finden. Und der müsse vor allem zu Teamgeist, Präsenz und Kontinuität bereit sein. Übereilen wolle man die Suche nicht.

FLIERL: Dafür gibt es Gelegenheiten, indem auch Gäste eingeladen werden. Sodass dies ein Prozess sein wird, der das konzeptionelle Zusammenwachsen und die innere Stärkung der Deutschen Oper begleiten soll.


Kalkulierter Amoklauf?

Christian Thielemann geht als Chefdirigent

17.Mai 2004

Christian Thielemann 2001 Schon die Jahrespressekonferenz Ende April hatte er umfunktioniert zu einer Philippika gegen die Kulturpolitik. Eine Aufbaupolitik sei nicht möglich, wenn die Orchester der beiden großen Opernhäuser der Stadt nicht finanziell gleich gestellt würden. Er weigere sich, noch weiter Aufführungen zu dirigieren mit manchmal zehn Aushilfen, die nicht genügend geprobt sind. Die Stadt müsse sich endlich entscheiden, ob sie zwei gleichrangige große Opernhäuser wolle oder nicht. Als Ultimatum wollte er das vor drei Wochen ausdrücklich nicht verstanden wissen. Mit seiner Brandrede hoffte er wohl auf feurige Medienunterstützung.

Die blieb freilich aus angesichts der von ihm dargelegten Projekte für die kommende Spielzeit mit äußerst geringem Erregungspotenzial. Die ultimative Forderung – 1,6 Mio Euro mehr für das Orchester, oder er würde gehen – legte Thielemann erst nach in einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel am Freitag (14.05.04). Dazwischen lag die offenbar sehr erfolgreiche Wiederaufnahme seines Wiener Tristan, soeben auch erschienen als Premierenmitschnitt vom Vorjahr auf CD. Es liegt nahe, dass Thielemann darauf hin wieder Angebote bekommen hat, die er jetzt nicht mehr zugunsten seiner Berliner Verpflichtungen ausschlagen wollte. Das Ultimatum war wohl ein kalkulierter Amoklauf. In Berlin war der nun 45-Jährige Generalmusikdirektor eigentlich nie mehr richtig angekommen.

Die Absetzbewegung Thielemanns von seinem Berliner Orchester hat schon begonnen, als er, verdrängt vom Götz-Friedrich-Nachfolger und Interimsintendanten Udo Zimmermann, düpiert wurde. Der glaubte, sein Programm nicht mit dem als konservativ geltenden Thielemann realisieren zu können. Zimmermann pokerte um Kent Nagano, was gründlich misslang, und musste dann doch wieder mit Thielemann sich zusammenraufen. Der freilich hatte inzwischen seine Fäden weltweit weiter gesponnen, heuerte an bei Ioan Holender in Wien, der pikanterweise dann Zimmermann als „Künstlerischer Berater“ in Berlin beerbte, und in München. Dort tritt er im Herbst die Levine-Nachfolge bei den Philharmonikern an und er hat dann das Reiseorchester, das er will.

In Berlin ließ Thielemann sich am Pult seines Orchesters nur noch selten blicken. Die zwei Neuproduktionen pro Spielzeit, die er nach dem mühsam gekitteten Bruch mit Zimmermann noch dirigierte, sollte er ganz in eigener Verantwortung realisieren. Musikalisch gerieten die zu Sternstunden, szenisch waren sie durchwachsen bis hin zum Flop. Und auch das Programm der kommenden Spielzeit ist kaum ein verlockender Aufbruch zu neuen Ufern. Nun will er die Bismarckstraße schnellstens hinter sich lassen. Von der von ihm für Berlin geforderten Summe habe der Senator ihm nur die Hälfte bieten können, und das Orchester hätte sie selbst erwirtschaften müssen. Kein Wunder. Die Berliner Kassen sind leer, Thielemanns Terminkalender dagegen prall gefüllt mit Bayreuth, München, Wien. Und er sei ein eher langsamer Arbeiter, sagt er von sich selber, kein geborener Jetset-Viel-Dirigierer.

In Berlin muss man nun wieder mal Scherben aufkehren. Dabei ist das Haus führungslos. Ein Intendant ist bisher nicht installiert. Und um den Job beneidet den oder die Künftige(n) niemand. Allerdings wäre nun auch möglich, ein Paket zu schnüren, das stimmig ist in sich. Manche betrachteten Thielemann mit seiner Verengung auf das auch von seinem Pendant Daniel Barenboim bevorzugte spätromantische Kern-Repertoires als Hindernis für eine Profilierung des Hauses. Dass es mit fast 1.900 Plätzen das größte ist mit der besten Akustik in Berlin, dass es aus einer Bürgerbewegung mit der Suche nach Neuem entstand, darf freilich auch nicht vergessen werden. Heute allerdings, wo seine tradierte Klientel, das bildungsbeflissene Bürgertum der Weststadt, sich immer mehr verflüchtigt, tut es sich besonders schwer im Überlebenskampf.

Die Staatsoper hat das Glück, in der touristischen Fußgängerzone zu liegen Unter den Linden. Der Westen ist nach Schließung des der Deutschen Oper benachbarten Schillertheaters kulturell immer mehr verödet. Laufkundschaft verirrt sich dorthin nur selten. Die Platzausnutzungsquoten von nur etwa 72% sprechen eine deutliche Sprache, auch wenn die bei über 80% liegenden der Staatsoper in absoluten Zahlen in etwa vergleichbar sind. Von den mageren rund 50% der Komischen Oper nicht zu reden. Den Platzvorteil „Mitte“ konnte das einstige Felsenstein-Haus bisher nicht in Besucherzahlen umsetzen. Worum es jetzt vor allem geht, dass die Entscheidungen nicht weiter auf die lange Bank geschoben werden.

Wie zu vernehmen ist, hat Kultursenator Flierl längst einen Kandidaten bzw. eine Kandidatin für die Intendanz im Auge. Erst dann kann auch ein neuer GMD gefunden werden. Und man wünscht sich einen wie den von der Komischen Oper, der ohne Scheuklappen die Ärmel aufkrempelt und vielleicht auch durch sein Fluidum Musiker begeistern kann. Was gebraucht wird, ist innovatives, spannendes Musiktheater. Es gibt jetzt eine Chance zur Erneuerung, sie muss genutzt werden. Jeder weitere Zeitverzug würde das Haus mehr erodieren. Der Imageverlust ist schon groß genug, aber nicht irreparabel.


Galgenstrick und Kitschpostille

Puccinis Fanciulla del West

27.März 2004

Die Goldgräber-Räuberpistole sucht man hier vergebens. Und das ist auch das Beste, was man sagen kann über diese Neueinstudierung dieser Fanciulla del West. Giacomo Puccini komponierte die Oper einst als Auftragsarbeit für die Met (1910). Das Mädchen aus dem Goldenen Westen, vom Interimsverwalter der Deutschen Oper Berlin, Ioan Holender, mal für Dario Fò angedacht, durfte nun eine junge Wilde aus dem Osten inszenieren, Vera Nemirova. Als Assistentin von Peter Konwitschny und mit kleineren Arbeiten zwischen Hamburg, Wien und Freiburg hat sie sich einen gewissen Namen gemacht. Nun also ihre erste große Arbeit an einer großen Bühne und mit einem Partner am Pult, der sich ungern die Butter vom Brot kratzen lässt, Christian Thielemann.

Schon am Eingang des Hauses wird der Besucher empfangen von Signale gebenden Matrosen und sich verbeugenden Stewardessen. In den Foyers oben tummelt sich eine Band. Man soll eingestimmt werden auf den Abend mit Dia-Schauen und Lautsprecher-Ansagen zum Bereithalten der Pässe für eine Schiffspassage. Später zieht im Gänsemarsch auch noch eine Schar Ausreisewilliger durch die Räume. Der „Teaser“, den sich die Regisseurin hat einfallen lassen zur Animation, war vor mehr als zwanzig Jahren schon mal Mittelpunkt einer ganzen Oper in diesem Haus und ist vor allem lärmig. Auf der Bühne später sehen wir dann die Einreiseschleuse plötzlich eines Flughafens. In Schlafcontainern lagern die Migranten am Rande, spielen Karten und versorgen sich an einer Frittenbude.

So unentschieden geht es auch weiter. Wo wooling angesagt ist, ist die Regisseurin in ihrem Element, in den solistischen Partien versackt die Spannung. Aber vor allem ist diese Oper ja eine Dreiecksgeschichte. Sheriff Jack Rance liebt die Frittenbudenbetreiberin Minnie, die schusssicher ist sowohl mit Bibelzitaten wie auch mit der Pistole. Minnie aber verknallt sich in einen gesuchten Verbrecher, Dick Johnson. Sie versteckt ihn in ihrem Wohnwagen, wo der Sheriff ihn aufstöbert und nach einem Schusswechsel an den Galgen liefert. Der Rest ist eine Kitschpostille mit einer ihren Dick vom Galgenstrick freischießenden Minnie und einem ungewissen gemeinsamen Glück auf einer Hebebühne in der Ferne.

Ungereimtheiten und Beliebigkeiten häufen sich in dieser Inszenie-rung. Das Wohnwagen-Picknick findet trotz einsetzenden Schneetreibens im Freien statt. Minnie macht sich schön dafür wie Scarlett O’Hara in einem rosa Tüllkleidchen, Dick bringt den Sekt mit im weißen Gigoloanzug (Ausstattung: Klaus Werner Noack). Als Aufwärterin dient eine Indianersquaw. Die Nacht dann verläuft eher wie auf dem Walkürenfelsen, wenn Siegfried die Brünnhilde abholen kommt für Gunther. Nur umgekehrt – und mit dem Ballermann dazwischen. Und wenn die Minnie zum Galgen eilt, um ihren Dick zu retten, geht das Saallicht an, und die Pistoliera stürmt los aus der dritten Reihe auf die Bühne. Natürlich ist ein Fernsehteam dabei mit rasendem Reporter fürs News-Entertainment. Die fehlende Spannung zwischen den Figuren wird von der Regisseurin gern mit solchen äußeren Zutaten gefüllt. Ein spannender Opernabend wird daraus nicht.

Der tönt nur aus dem Graben, wo Christian Thielemann gleichsam die Temperatur regelt, die Klangwolken aufheizt und wieder auskühlt ins Impressionistisch-Pointillistische. Und prächtig folgt ihm das Orchester bis in feinste Nuancen. Eine selbstbewusste Minnie ist Paoletta Marrocu mit einer leicht kehligen, etwas dunkel gefärbten Stimme, am Ende freilich etwas ermüdet. Von den Männern kann vor allem Lado Atanelli als Sheriff Jack überzeugen, während Dario Volonté als Dick Johnson doch Mühe hat, stimmlich überhaupt über die Rampe zu kommen. In der Intonation schwächelt er auch zunehmend. Das Publikum ließ es ihn denn auch am Ende deutlich spüren, wie es umgekehrt die übrigen Sänger und vor allem Christian Thielemann feierte.

Einige sehr heftige Buhs musste die Regisseurin kassieren, wurde aber auch mit Bravos empfangen. Offensichtlich war sie überfordert mit dieser Arbeit, versuchte sich mit Video-Enspielungen oder von ihrem Lehrmeister Konwitschny übernommenen Gags über die Runden zu retten. Indes, die handwerklichen Schwachstellen sind nicht zu übersehen, und die Kopie ist nicht das Original. Unsinnig auch die neue Mode, mit möglichst vielen Pausen die Opernabende zu zerdehnen. Mit den zwei Pausen hier zerfällt die Aufführung vollends. Erfreut stellt man aber fest, dass Thielemann sich offensichtlich langsam heran robbt ans Regietheater. Vielleicht trifft er ja noch irgendwann auf die Goldmine.


Üppig - und dekorativ

Christian Thielemann gräbt in Korngolds „Toter Stadt“

Die Musik wirkt wie Fettlebe pur, Eisbein mit Sahnetorte. Man muss sie durch Beilagen zu leichtern wissen, man muss in die Ebenen dahinter leuchten. Ein Mann, Paul, vergräbt sich in die Erinnerung an seine verstorbene Frau Marie. Sein ganzes Haus hat er als Reliquienschrein eingerichtet. Da begegnet ihm Marietta, eine Tänzerin. Sie gleicht Marie fast aufs Haar. Die zweite Marie nimmt den Kampf auf mit der Toten um die Gunst Pauls. Wie weit kann sie in seine Nähe dringen, die Tote verdrängen? Das Resümee, das die Oper zieht: Paul muss aus der Stadt wegziehen. Er lernt, er darf nicht zurückschauen, um den Verlust zu verwinden.

Erich Wolfgang Korngolds Die tote Stadt nach dem symbolistischen Roman Bruges la morte („Das tote Brügge“) von Georges Rodenbach war 1920 bei der parallelen Uraufführung in Hamburg und Köln – hier unter Otto Klemperer – ein Sensationserfolg. Die Oper bediente mit ihrer Thematik der übermächtigen Erinnerungen den Bedarf an Verarbeitung eines grausamen Kriegs, der eine ganze Ära hat versinken lassen und den heute manche schon als den „vergessenen“ Krieg bezeichnen angesichts der Gräuel, die der zweite Weltkrieg gebar.

Vor allem aber auch musikalisch bediente die Oper des damals 23-Jährigen Wunderkinds Korngold, der als Emigrant später in Hollywood aufbauend auf seine frühen Erfolge mit diesem Werk die Filmmusik revolutionierte, die Erwartungshaltung des damaligen Publikums: Ein an den beiden Richards, Wagner und Strauss, orientierter üppiger Orchesterklang mit heldischen Stimmen für die beiden Protagonisten. Aber auch mit kleinen Brechungen, wie sie Strauss in seiner Ariadne in die Literatur einbrachte, wo große Oper sich verzahnt mit dem Personal einer Zirkustruppe, Heldenstimmen mit denen des leichten Fachs.

Korngold, auch als Widerentdecker und Bearbeiter von Operetten von Johann Strauß, Offenbach und anderen später erfolgreich, integriert in seine Partitur immer wieder auch das Wienerlied oder nahe am Kitsch angesiedelte sehr einfache Liedweisen, die feinfühligster Behandlung bedürfen, um nicht abzugleiten. Kein Wunder, dass Korngolds Stern sich Mitte der Zwanziger Jahre senkte, als mit Kreneks Jonny spielt auf, mit Alban Berg und Kurt Weill neue Stile die Opernbühne eroberten.

Dass Christian Thielemann, der Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin, mit aller gebotenen Raffinesse diesen Riesen-Klangapparat lenken, leiten, explodieren, implodieren lassen würde, durfte man erwarten. Der Orchesterklang, wie Thielemann ihn modelliert, ist vom Feinsten: cremig, süffig, brillant, schmachtend, hauchzart verlöschend. Und er hat Sänger zur Verfügung, die seinen Ambitionen folgen. Stephen Gould, ein Tenor, der von Lloyd Webber zu Richard Wagner sich empor sang, ist ein Paul mit Strahlkraft und Leichtigkeit in der Stimme zugleich, nie angestrengt wirkend. Silvana Dussmann ist eine Marietta und Erscheinung der toten Marie, die eine Zartheit und leuchtende Helligkeit in ihrer Stimme vereinigt, wie man sie sich nur wünschen kann.

Wäre da nicht die Inszenierung von Philippe Arlaud. Thielemann hat schon zweimal erfolglos mit ihm zusammengearbeitet – was ihn aber offenbar nicht schreckte. Arlaud tut das Falscheste, was er tun konnte: er rümpelt die Szene zu mit allerlei Maskeraden, Dekorationen und artistischem Firlefanz bis zur Lächerlichkeit. Vorgänge zu erzählen versteht er nicht. Er badet sich als sein eigener Bühnenbildner und Lichtgestalter im Geschmäcklerischen. Und Kostümbildnerin Andrea Uhmann ist ihm da kein Korrektiv. Besonders unangenehm die von Anne Marie Gros choreografierten Balletteinlagen mit tänzelnden Schweinchen, die die Röcke heben.

So muss man auf eine adäquate Wiederentdeckung dieser Oper wohl weiter warten. Und auch wenn Korngolds Musik nicht die Tiefe hat wie die des wenig älteren Franz Schreker, der mit seinen Sujets sehr viel tiefer ins Unbewusste vordrang, das Potenzial dieses Stücks hat diese Produktion erneut reklamiert. In der Deutschen Oper Berlin blieb es beim musikalischen Erfolg. Und der wurde vom Publikum mit Ovationen bejubelt. Das gebeutelte, führerlose, noch immer seiner großen Vergangenheit nachtrauernde Haus kann es brauchen.


Verschenkt

Bellinis „Puritaner“

19.Nov.2003

Die Berliner Opern stolpern munter vor sich hin, hinein in die Reform. In der Lindenoper übt man sich als Kassandra und unkt bei jeder Gelegenheit über die drohenden Gefahren einer Stiftung; eine Staatsoper ist eben eine Staatsoper, ist eine Staats-Oper. An der Komischen Oper leistet man sich einen weiteren Flop mit einer steifleinernen Jenufa-Neuproduktion und darin lauter hysterischen Frauen auf der Bühne. An der Deutschen Oper verordnet deren Künstlerischer Chefberater einen Griff in die Tiefkühltruhe. Von seinem Wiener Stammhaus entlieh Operndirektor Ioan Holender eine neun Jahre alte Produktion, die Einrichtung von Bellinis später Belcanto-Oper Die Puritaner.

Vielleicht sollte der Titel ja ein Wink sein mit dem Zaunpfahl. Die einzige Frage, die einen den drei Stunden langen Abend aufwühlt, ist jedenfalls, wie langweilig Oper eigentlich sein darf. Indes hätte es ganz interessant sein können, innerhalb so kurzer Zeit hintereinander ein ganzes Paket italienischer Opernromantik geboten zu bekommen: von Rossinis exzessiver Semiramide über Donizettis Don Pasquale bis hin zu eben jenen Puritanern. Immerhin erfährt man so doch etwas genauer, wo Großmeister Verdi seinen melodischen Most sich holte, um ihn dann zu edelsten Weinen zu keltern. Indes soll Oper ja auch Theater sein, und da werden wir hier doch weit unter Niveau bedient.

Schon das Libretto des Hobbypoeten Carlo Pepoli, den Bellini nach dem Zerwürfnis mit seinem Lieblingsschreiber Felice Romani sich suchte für diese Eifersuchts-Geschichte aus den Volkskriegen gegen die Royals in der Cromwell-Zeit, ist von erbärmlicher Dürftigkeit. Und Regisseur John Dew, der im Programmheft einige kluge Sätze zur Revision von Klischees über die italienische Romantik notiert, tut doch auf der Bühne nichts dazu, diese wirklich vergessen zu machen. Er liefert nur Stehtheater mit dekorativen Aufmärschen in Prachtkostümen (José Manuel Vazquez). Der gefühlte Zeitverbrauch des Abends dehnt sich auf das Zehnfache des tatsächlichen.

Noch nicht mal sängerisch, was ja eigentlich die Domäne Holenders sein soll, kommt man hier so recht auf seine Kosten. Maureen O’Flynn singt (wenn auch als Einspringerin) die Elvira, die ob ihres in die Kriegshändel verwickelten und darum zur Flucht getriebenen Geliebten Arturo selbst in den Wahnsinn sich flüchtet, mit zwar schlanker aber doch eher schmaler und in den Koloraturen recht unsicherer Stimme. Ein väterlicher Freund mit Statur ist ihr als Generalgouverneur Lord Valton und Anhänger der Cromwellschen Reinigungshysterien Peter Klaveness. Frédéric Chaslin leitet das Orchester der Deutschen Oper mit Umsicht. Ein großes Thema, ahnt man, schlummert eigentlich in diesen puritani. Es wurde wieder mal verschenkt.


Hinter der Zeit hinkend

Die Deutsche Oper startet mit Don Pasquale etwas gequält in die Interims-Saison

11.Oktober 2003

Ein alter Mann sammelt junge Frauen wie Schmetterlinge, allerdings in Gestalt von gemalten Madonnen. Aber dann wird ihm eine in Fleisch und Blut angeboten. Die freilich, obwohl angeblich frisch aus dem „Kloster“, entpuppt sich als Hausdrachen. Sie ist die Liebhaberin seines Neffen. Per Ehevertrag reißt sie alle Macht an sich, stellt den Haushalt auf den Kopf. Und erlöst wird der Greis nur, indem er sie freigibt und sie ihren Liebhaber heiraten lässt. Alte Männer sollten keine jungen Frauen heiraten, steckt sie ihm als „Moral“ noch ins Seniorenstübchen. Die alte Ben-Jonson-Komödie, die später auch Richard Strauss vertonte, scheint antiquiert. Verbindungen ungleichaltriger Paare sind heute geradezu Mode. Aber meinte Gaetano Donizetti dies Problem überhaupt, als er 1842 seinen dann in Paris uraufgeführten Don Pasquale vertonte? Ging es ihm nicht um etwas ganz Anderes mit seiner im Stil einer Rossinischen Groteske komponierten Roulade?

Der vom Künstlerischen Haushofmeister der Berliner Deutschen Oper, dem Wiener Staatsoperndirektor Ioan Holender, bestellte Regisseur für die erste Premiere der Post-Zimmermann-Interimszeit, Jean-Louis Martinoty, hat wohl keinen Gedanken daran verschwendet. Zimmermann hatte das Stück zwar noch auf den Spielplan gesetzt, wer es inszenieren sollte, ließ er offen. Routinier Martinoty macht aus dem Stück, was zu befürchten war, eine plundrige Klamotte. Es wird auf der Bühne chargiert, dass sich die Balken biegen. Insbesondere Ofelia Sala als vermeintliche Nonne Norina, die aber durchaus keine Nora ist, spielt sich mit stimmlich wie darstellerisch outriertem Gehabe unangenehm in den Vordergrund. Da ist der verspießerte Alte, der als Don „Pasquale“ eine sozusagen Wiederauferstehung feiern will durch Zufuhr frischen Bluts in seiner zum Bildermagazin verstockten Wohnung (Bühne: Bernard Arnould), direkt ein Vorbild an Noblesse. Bruno Pola gibt ihn mit einiger Grandezza.

Fatal die Unterschätzung einer Oper, die wie eine Satire scheint auf die vermuffte Zeit vor 1848, durch dies Regieteam. Noch fataler, wie das Publikum an der Bismarckstraße reagiert auf diese szenische Umsetzung. Mit geradezu frenetischem Beifall bedankte es sich für die weder sängerisch noch darstellerisch herausragenden Leistungen. Auch Kenneth Tarver als jugendlicher Ernesto und lachender Dritter in diesem Erneuerungskrieg durch die Hintertür kann nur bedingt überzeugen. Am ehesten noch beherrscht Markus Brück als kupplerisch verschmitzter Strippenzieher Malatesta die Szene mit unaufdringlicher Eleganz. Yves Abel am Pult des Orchesters der Deutschen Oper setzt schöne Akzente. Ein Glanz- und Schlüsselstück der zweite Chor, in dem die von drei auf dreißig inflationierte Dienerschaft das „Beziehungsproblem“ im Hause Pasquale geifernd kommentiert. Nicht zufällig lässt Donizetti da die Basslinie immer eine Nummer hinter der Taktzeit hinterher hinken.

Die Zeit sei „aus den Fugen“ heißt es mal bei Byron über das Metternich-Regime der „Alten“ Männer. Norina, in Wirklichkeit ja eine junge Frau eines jungen Theaters, will aufräumen mit dem alten Plunder. Hier kübelt sie ihn zurück auf die Bühne. Welche Schlussfolgerungen die aufsichtführende Senatsverwaltung bei der demnächst fälligen Bestellung eines neuen Intendanten oder eine künftige Stiftungs-Generaldirektion aus den Erkenntnissen einer solchen Produktion zieht, ist eine andere, weit spannendere Frage.


Halsbrecherisch

Rossinis Semiramide erstmals ungekürzt

24.Mai 2003

Noch viele herrliche barbiere möge er der Welt schenken: immer nur "opere buffe". Ansonsten werde er sein Schicksal herausfordern, schrieb der schon taube Ludwig van Beethoven dem auf der Überholspur dahin rasenden jüngeren Kollegen Gioacchino Rossini ins Stammbuch, als der ihn besuchte in seiner Wiener Absteige. Doch der Italiener hielt sich nicht an die Empfehlung des gleichwohl bewunderten Meisters. Semiramide, das ein Jahr nach der Wiener Begegnung entstandene Werk um die assyrische Königin Semiramis, die mit Hilfe ihres Geheimdienstchefs ihren Mann umbringt, dann in den nach der Geburt verschollenen und später als Heerführer Karriere machenden gemeinsamen Sohn sich verliebt und ihn auf den Thron des Landes heben will, bis dann durch eine Geistererscheinung des ermordeten Ex und ein Briefdokument die ganzen ödipalen Verstrickungen offenbar und bereinigt werden – Semiramide ist ein „Melodramma tragico“, wenn auch mit für die Ausdrucksfähigkeit von Rossinis Musiksprache erkennbaren Grenzen.

Es ist Rossinis letzte für Italien komponierte Oper, 1823 uraufgeführt in Venedig. Eine alle damaligen Dimensionen sprengende Vier-Stunden-Opernwucht der halsbrecherischsten Belcanto-Arien, Ensembles und vor allem Duette. Mit ihren Wahnsinnsszenen markiert sie den Weg über Bellini, Donizetti hin zur großen französischen Oper Meyerbeers. Erstmals wohl überhaupt hat man dies Werk ungekürzt mit allen Ausweitungen und Wiederholungen hierzulande nun auf die Bühne gebracht dank Rossini-Spezialist Alberto Zedda. Und trotz hohem Alter quicklebendig am Pult, bringt er das Orchester der Berliner Deutschen Oper zu einem duftig-delikaten Klang des virtuosen Raffinements. Es ist ein höchst interessantes Experiment, wenn auch keineswegs alltagstauglich. Sängerinnen für die Hauptpartien der Königin Semiramis und ihres verschollen geglaubten Sohns Ninya alias Arsace, die Dramatik und Koloraturen-Festigkeit als Sopran beziehungsweise Mezzo verbinden, muss man mit der Lupe suchen.

Zumal Jennifer Larmore in der Hosenrolle des Arsace und mit kleinen Abstrichen Darina Takova in der Titelpartie der Semiramis, die als usurpatorische Königin erst durch die Umstände gezwungen wird, in den von ihr zugeschüttet geglaubten Abgrund zu blicken, leisten Überragendes. Kirsten Harms als Regisseurin bebildert das dramatisch nur in homöopathischen Dosen voranschreitende Werk in sparsamen Andeutungen. Den Empfangssaal eines Betonpalasts gemäßigt orientalischer Moderne hat ihr Ausstatter Bernd Damovsky dafür gebaut. Kaum möglich, zwischen den glitzernden, die Sänger vor allem beanspruchenden Koloraturen eine ausgefeiltere Regiearbeit zu versuchen, zumal wenn Sänger dieses Fachs nach wie vor zwei bis drei Wochen Probenzeit für genügend erachten. So wird denn vor allem geschritten, gestanden, auf Sofas und Betten sich gefläzt. Die einstürzenden „Gärten der Semiramis“ als herabgestürzte Blumenkästen und die giovannesk Hamlet huldigenden Geistererscheinungen sind schon die dramatischsten Ereignisse.

Das Publikum verabreichte dem Regieteam um Kirsten Harms am Ende vor allem Buhs, umarmte mit Jubel lediglich die Sänger und den Dirigenten. Und immerhin musikalisch war das ja zum Abschluss der abrupt von Senats wegen abgebrochenen Intendanz Udo Zimmermanns noch ein kleiner, fast unerwarteter Höhepunkt.


Offener Vollzug

Achim Freyers Salome

05.April 2003

Innig knutscht Salome ihren Steifftier-Salonlöwen. Aber „schön“, wie der nach ihr gierende Naraboth sie besingt, ist sie nun wirklich nicht: Ein "Kapitalisten-Töchterchen", das "sich nimmt, was es braucht – verwöhnt". So jedenfalls sagte es Achim Freyer selbst, der Maler, Bühnen- und Kostümbildner, Regisseur – und demnächst wieder nur Maler. Seit zwanzig Jahren wollte er die Strausssche Salome inszenieren. Als eine der letzten Amtshandlungen ermöglichte es ihm Intendant Udo Zimmermann nach der Verdi-Requiem-Visualisierung im Vorjahr nun an der Deutschen Oper Berlin. Und das Publikum reagierte auf das Ergebnis mit gellenden Buhs.

Die Welt, in der diese Salome spielt, ist eine Art Gefängnis, zisternenartig halbrund mit schräg ansteigendem Boden und Kloakenabfluss vorn in der Mitte. Die Bewohner dieses Wohnsilos sind geschminkt wie Clowns, haben meist Trichter-Hütchen oder Eimer auf den Köpfen, die Frauen auch Ballons an den Brüsten. In Häftlings-Nadelstreif turnen sie durch die auf und zu klappenden Türen in einer Art offenem Vollzug. Hinter den Türen haben sie sich’s bequem gemacht mit Pinups und alltäglichem TV-Horror. In Wohnklo Nummer sieben rechts residiert "die Stimme": Jochanaan. Eine Art Selbstmord-Attentäter, wandelnde Leiche im weißen Tuch von Kopf bis Fuß, das Gesicht verschnürt mit gekreuzten schwarzen Bändern. Schwarz ist seine Silo-Bucht. Ansonsten dominiert die Farbe Gelb, eine des „Frierens“, wie Freyer sagt, wie in den U-Bahnhöfen. „Wir machen's uns schön gelb, weil so wenig Sonne scheint."

Die Figuren bewegen sich auf der Bühne wie im Kasperltheater, vor- und rückwärts trippelnd auf radial gedachten Geraden. Den Blick stur auf etwas gerichtet, von dem sie ein Bild im Kopf haben, dem sie hinterherlaufen wie einem Idol. Salomes Schleiertanz wird in diesem "Schmidt-Einander" zum Ringelpietz mit Anfassen. Ein bisschen zu sich selbst darf die Strausssche Musik kommen lediglich am Schluss, wenn Salome im fahlen Licht am Boden hockend den faszinierenden Fußball-Kopf ihres imaginären Geliebten anblitzt. Vielleicht hätte er sie ja doch geliebt. Aber auch er hat sie nicht mal angesehen. Wie eine unartige Puppe wird sie zerrissen am Ende in ihre Einzelgliedmaßen von der Meute am Ende. Die Putzkolonne hat wieder mal reichlich zu tun.

Was man am meisten vermisst in dieser Neuproduktion, ist der flirrend sinnliche Orchesterklang, den ein Giuseppe Sinopoli vor Jahren an diesem Hause mit diesem Orchester aus dieser Partitur zu entfachen wusste. Marc Albrecht am Pult gelingt da nur Durchschnittliches, und er muss auch einige Buhs einstecken. Überhaupt mangelt es dieser Aufführung an unmittelbarer Sinnlichkeit. Susan Anthony als Salome strahlt sie kaum aus. Greer Grimsley als Objekt ihrer Begierde, Jochanaan, darf es nicht, verkörpert allerdings das Stelenhafte dieser Figur recht plausibel. René Kollo als Herodes muss tief in seine clowneske Trickkiste greifen, und er tut das mit erstaunlicher Virtuosität. Aber warum verweigert dieser Tetrarch dem Töchterchen zunächst den Jochanaan-Kopf? Wovor hat dieser Datterich Angst? Glaubwürdig machen kann er das hier nicht. Eine geifernde Megäre mit stets dem Flachmann am Busen ist seine Herodias, dem Töchterchen bedingungslos Hurrah schreiend zu Hilfe. Großartig bewältigt die sehr kurzfristig eingesprungene Ute Walther die Partie.

Die Verachtung für den Tanz an deutschen, zumal an Berliner Opernhäusern ist fast schon sprichwörtlich. Hier wird sie zum Ärgernis, eine Selbstentschleierung der umgekehrten Art – wie insgesamt alle Figuren durch einen Trichter gezwängt und auf ein Maß zurechtgepresst werden, das mehr an die Neuköllner als an die Charlottenburger Oper passt. Schade um die so unendlich viel reichere Musik. Jedenfalls nicht das Gelbe vom Straussen-Ei.


Großvater Courage

Hans Neuenfels inszeniert Mozarts Idomeneo

13.März 2003

Die vielleicht packendste Szene: Wenn der als Opfer todgeweihte Sohn Idamante den Kampf aufnimmt gegen die Mächte des Irrationalen. Die Höflinge, vorher in bunten, barockisierenden Kleidern, die Damen in derwischhaft glockigen Reifröcken, bewaffnen sich, nun ganz in Schwarz, mit Beilen. Wie auf einer Kommandobrücke werden die Götter hereingefahren: Ein grünlicher Poseidon, ein goldener Buddha, ein weißer Mohammed mit Schador und Kaftan und ein schmächtiger Christus. Am Ende müssen sie ihre Kleider ablegen, sie obsiegen nicht mit der Einforderung des Opfers. Idamante, der Sohn, hat den Vater Idomeneo zum Kampf gegen das Numinose mitgerissen. In Unterhosen treten die Götter ab von der Bühne. Auf die "Stimme", die per Lautsprecher Idomeneo noch den Thronverzicht empfiehlt zugunsten des Sohns, schießt er mit seiner Pistole. Er weiß schon selber, was Sache ist. In einem stummen Nachspiel präsentiert der zum Götter-Schlachtemeister Emanzipierte die blutigen Götzen-Glatzen auf ihren leeren Stühlen.

"Indem ein Mensch das Leben für einen anderen bereit ist herzugeben", lädt er eine große Schuld auf sich, "wenn er ernstlich darüber nachdenkt", sagt Regisseur Hans Neuenfels. Und daraus ergibt sich "ein Labyrinth, ein Chaos, eine Beschäftigung: Wie komme ich raus aus dieser Schuld, wie werde ich damit fertig, dass ich mein Leben für ein anderes eintausche?" Der "Tausch", sagt er, sei es, was ihn interessierte. Neuenfels erzählt diese mythologische Geschichte vom Kriegsheimkehrer Idomeneo an der Deutschen Oper Berlin in einem arenenartigen rokoko-schmutzig-rosanen Bühnenbild seines Lieblings-Ausstatters Reinhard von der Thannen. Immer wieder werden Leinwand-Inserts oder Schrifttafeln eingefügt. Die postbarocke frühe Seria-Oper Mozarts will er zeigen in ihren Brüchen. Man spielt eine analog Mozarts eigener späterer Umarbeitung sinnvoll eingestrichene Version.

Dem nach Kreta aus dem zermürbenden Krieg um Troja heimkehrenden König haben die Götter eine letzte Prüfung beschert. Und Idomeneo wird schwach. Nur der Schwur an Poseidon, den ersten Menschen zu opfern, dem er begegnet am Strand, rettet sein eigenes Leben. Aber dem er da begegnet in einer höllenartig schwarzen Zimmerflucht und umkrabbelt von Skarabäen, ist der eigene Sohn Idamante. Ihn wegzuschicken, wie Idomeneo sich ausdenkt, um den Kannibalen-Schwur zu umgehen, funktioniert nicht. Poseidon pierct den Ausreisewilligen heftig mit seiner Dreizack-Forke und zwingt ihn so zum Bleiben. Vielschichtig wird das von Neuenfels aufgefächert mit vielen hinzu erfundenen Figuren.

Ilja, die aus Troja verschleppte Trojaner-Prinzessin, die in den Kreter-Prinzen Idamante sich verliebt, wird in ihren inneren Konflikten gezeigt, wie sie mit dem Vater Priamos und den Brüdern kämpft für ihre Liebe. Die Agamemnon-Tochter Elektra, ebenfalls verliebt in Idamante und Zuflucht findend auf Kreta, sieht man mit einer Art Courage-Wägelchen durch die Szene ziehen. Das Andenken des Vaters beschwört sie, indem sie seinen Mantel auf ein Tischchen deckt und mit Steinen beschwert wie ein Grab. In ihre heile Kinderwelt träumt sie sich zurück mit Brüderchen Orest und Schwesterchen Chrysothemis, indem sie sich mit ihnen in ein hundehüttengroßes lichtes Tempelchen verkriecht. Lieblich sich bewegende Satyrn greifen hilfreich ein ins Spiel.

Ein assoziationsreiches Beziehungsgeflecht hat Neuenfels da gesponnen für eine Oper, die Mozart 1781 als Auftrag für einen Herrscher komponierte, den Mannheim-Münchener Kurfürst Karl Theodor, der – aufgeklärt – seine Untertanen lieber in Schulen, Theater und Manufakturen schickte als in den Krieg und darum des preußischen großen Kriegstreibers Friedrich Zorn auf sich zog. Indem Neuenfels freilich eine Übertitelung der Texte sich verbat, beraubt er sich selbst unnötig einer wichtigen Verständnisebene dieses ja selten gespielten Werks.

Am Pult dieser Aufführung an der Berliner Deutschen Oper steht der Stuttgarter GMD Lothar Zagrosek. Meisterlich gelingt ihm nach voluminösen Wagner-Wochen im Haus, das Orchester auf silbrig, scharf akzentuierten Klang zu verschlanken. Hervorragend die für das Stück im Sinne der Reform-Ästhetik Glucks konstituierenden, von Ulrich Paetzholdt einstudierten Chöre. Von den Sängern kann vor allem Charles Workman mit seinem markant hellen Organ beeindrucken. Ein entschlossener Idamante ist Francesca Provvisionato, Michaela Kaune seine etwas zerfahren wirkende Geliebte Ilja. Krassimira Stoyanova gibt die neidzerfressene Elektra.

Idomeneo ist nach den vielen Verdis, nach Schreker, Zemlinsky, Bernd-Alois Zimmermann, Neuenfels’ vierte Beschäftigung mit Mozart. Mozart, sagt er, wurde zu einer späten, aber "zentralen Entdeckung" seiner Existenz. Geknüpft habe sich daran für ihn eine neue Betrachtungsweise des Lebens, insofern Mozart "eine zärtliche Gleichgültigkeit über die Welt verstreut", dass er die Welt betrachtet "wie Ameisen, und wie Shakespeare das auch tut, ohne zu kommentieren, zu denunzieren, zu ironisieren, dass er alle möglichen Verhaltensweisen des Menschlichen zeigt." Das Berliner Premieren-Publikum war da etwas anderer Ansicht, buhte so kräftig wie es Beifall klatschte.

Seine (seit 1982) sechste Arbeit an dem Hause wird Neuenfels’ vorläufig wohl letzte Arbeit sein. Ioan Holender, der avisierte Interims-Administrator, beschäftigt zwar gern Promis des Regiefachs. Mit Neuenfels ist er freilich schon bei einem Meyerbeer-Propheten aneinander geraten in Wien. Und da wird der Vater Courage des deutschen Musiktheaters dann wohl erst mal auf die Strafbank gesetzt.


Cliché und Revolution

Spoerlis Offenbach-Ballett La belle vie

18.12.2002

Zu anderen Zeiten wäre das ja vielleicht eine ganz interessantes Experiment: Der Einfluss der Revolution auf die Beziehungen einer Familie, gezeigt am Beispiel der zweiten Republik und des Napoleonischen Kaiserreichs in Form einer Tanzrevue und unterlegt mit Musik von Jacques Offenbach.  Aber jetzt, wo das Haus, die Deutsche Oper Berlin, selber fast auseinander fliegt und mit ihrer einst strahlenden, jetzt nur noch ruinenhaften Tanzkompanie ums Überleben kämpft und niemand auf die Barrikaden klettert? Nein, trotz der mehreren Dutzend Blumensträuße, die am Ende auf die Bühne oder zu kurz gezielt in den Orchestergraben flogen, und bei denen man den Eindruck nicht los wurde, sie würden, auf der Bühne eingesammelt, gleich wieder ins Parkett expediert und noch mal geworfen – trotz des Blumen-Bombardements auf die einstige Zitadelle des modernen Tanzes in Berlin, Freude aufkommen mochte nicht. Es zieht sich und schleppt sich zwischen den routiniert eingestreuten Cancan-Einlagen ohne einen Funken von tieferer Inspiration.

Den Edelkitsch des 19.Jahrhunderts, aber so präzis und perfekt getanzt wie man das beim rekultivierten Staatsopernballett jüngst vor zehn Tagen mit Vladimir Malakhovs Einrichtung der Bajadere zelebriert bekam – den mochte man noch in vollen Zügen genießen als Exquisit-Zuckerbäckerei aus der Konditorei des zaristischen Russland. Hier hangelt man sich von Szene zu Szene, ohne recht zu wissen warum. Dabei ist Heinz Spoerli einer der ganz wenigen und darum viel beschäftigten zeitgenössischen Choreografen, der noch große Handlungsballette zu entwerfen weiß. Und Martin Rupprecht hat das herzallerliebst im Zeitgeschmack des 19.Jahrhunderts ausgestattet.

Aber das Libretto von Wolfgang Oberender dieses schon 1987 für Basel kreierten Balletts hat so viel clichéhaft Kolportiertes, die von Caspar Richter zusammengestellte Offenbach-Musik wirkt so gestückelt, dass kein Faden sich spinnt, auch wenn Peter Ernst Lassen am Pult das Orchester der Deutschen Oper meist ordentlich in Fahrt bringt. Die hier beobachtete Familie mit Mutter, Vater, zwei Töchtern, ein Sohn wirkt beliebig. Der Vater geht fremd, die Mutter darbt zuhause am langen leeren Tisch, der ungezogene suppenkaspernde Sohn verliebt sich später in seine Ballettlehrerin, von den Töchtern geht eine auf den Strich, die andere unter die Fahnen der Revolution. Ja, das ist Paris – vor und nach dem Börsenkrach. Und lediglich das Akkordeon verfremdet gelegentlich den musikalischen Fluss.

Akzeptable tänzerische Leistungen kann man nur in den Hauptpartien bewundern: dem Vater von Raimondo Rebeck, den Töchtern Rebecca Gladstone und Jane Margaret Kesby, dem Sohn Goyo Montero und der Ballettlehrerin Sandy Delasalle. Bei den Gruppentänzern ist manches doch recht unpräzis, wirkt eher wie improvisiert. Eine gewisse Innigkeit spürt man lediglich im Pas de deux zwischen Sohn und Ballettlehrerin, die sich sonst als auch schon mal bessere Puffmutter gibt. Warum ein solches Stück auf den Spielplan setzen? Die derzeitige kommissarische Leiterin der Truppe, Sylviane Bayard, hat früher mal bei Spoerli getanzt. Hier darf sie noch mal auf die Bühne und die Rolle der Mutter tanzen, auf Spoerlis ausdrücklichen Wunsch, wie es heißt. Und man spürt durchaus die einstige Klasse in ihren flüssigen Bewegungen. Aber das Stück selbst ist arg in die Jahre gekommen. Die Premiere in Zürich vor wenigen Wochen sei ein bejubelter Erfolg gewesen, liest man. Gejubelt wurde gestern zwar auch in Berlin. Aber das Haus war selbst am Premierentermin nur zu zwei Dritteln besetzt. La belle vie ("Das schöne Leben"), ein Kassenknüller wird das sicher nicht.


Fallgrube, mit Bohlen bedeckt

Jenůfa mit Anja Silja als Küsterin aus Glyndebourne in Berlin

24.Nov.2002

Die Aufführung funktioniert, wenn sie auf der Szene agiert:  Anja Silja. Vierzig Jahre nach ihrem Debüt singt die Hochdramatische an der Deutschen Oper Berlin wieder eine Premiere, auch wenn diese nur importiert ist. Aber durch Anja Silja bekommt die Szene ihre innere Spannung, durch sie wird die Musik präsent. Noch immer hat diese Stimme enorme Kraft. Nur gelegentlich flackert sie in den hohen Tönen. Bewundernswert.

1989 hatte diese Jenůfa Premiere in Glyndebourne. Damals noch im alten Haus. Später wurde die Produktion adaptiert fürs neue Haus, vor zwei Jahren aufgefrischt und jetzt nach vielen internen Querelen nach Berlin gebracht für vier szenische Aufführungen und anschließend eine konzertante beim Hauptsponsor Audi in Ingolstadt. Das darbende Haus an der Bismarckstraße hätte die Kosten für das Originalensemble und den Transport des Bühnenbilds sich nicht leisten können. Regisseur Nikolaus Lehnhoff hat selbst maßgeblich für die Finanzierung sich eingesetzt. Intendant Udo Zimmermann bekommt so mal wieder - dank Silja - vier ausverkaufte Vorstellungen. Wie gut fühlt Lehnhoff, der Silja kennt seit seiner Assistentenzeit bei Wieland Wagner und der seitdem immer wieder mit ihr zusammenarbeitete zumal in Glyndebourne - wie fühlt Lehnhoff sich mit dieser dreizehn Jahre alten Inszenierung, frage ich ihn vor der Aufführung beim Pressegespräch?

LEHNHOFF: Die Frage ist berechtigt. 1989 war sie neu, 1992 kam sie wieder heraus. Ich habe angefangen mit Katja 1988, 1989 die Jenůfa, die wurden wiederholt und dann im neuen Haus kam auf meinen Wunsch Makropulos dazu. Ich habe es mir gewünscht. Ich wollte diesen Zyklus der starken Frauen bei Janáček zusammenfassen. Und als dann die Katja ins neue Haus ging 1998 und von allen Seiten gesagt wurde, das kann sich noch sehen lassen, dann machen wir auch den Versuch mit Jenůfa. Wir haben das Zutrauen zu dieser Aufführung gefunden. Und ich hätte sie auch dann nicht hier vorgestellt, wenn ich das Gefühl gehabt hätte, dass sie "dated" ist. Natürlich wir wissen, 13 Jahre ist eine sehr lange Zeit. Nun ist auch hier etwas zusammengekommen, das hängt nicht nur mit Anja Silja zusammen. Hier ist wirklich handverlesen besetzt worden bis in die kleinste Rolle hinunter. Und das Beziehungsgeflecht - ich finde es einzigartig. Sehr selten kommt zusammen ein Ensemble, das in sich so stimmig ist.

Etwas genremäßig beginnt das in Tobias Hoheisels pittoresker Ausstattung: Ein moosgrüner Wiesenhügel in der Mitte, rechts das klappernde Mühlrad, links ein riesiges Scheunentor. Wenn Števa, sternhagelvoll, frei kommt vom Militär, feiert man ein feuchtfröhliches Fest. Jenůfa, die ihn - aber auch schon was anderes erwartet - nestelt an einer Pflanze über einer mit Bohlen bedeckten Grube. Die von der Stiefmutter verordnete einjährige Ausnüchterungszeit für den Schwiegersohn in spe bringt die Tragödie ins Rollen. Der zweite Akt, ein knappes Jahr später, spielt in einer Art Wäschekammer, wo Jenůfa und ihre Stiefmutter die Babysachen und anderes falten zur Ablage für einen altarartigen Wäscheschrank und die Küsterin sich entschließt, die "Schande" der Stieftochter im Eis einzufrieren. Für den dritten Akt, Jenůfas geplante Heirat mit dem Zweitverehrer Laca, ist das Zimmer umgebaut zur kalten Pracht mit langem Esstisch. Aber die Frühjahrssonne hat das Eis geschmolzen. Und wenn das dort von der Küsterin entsorgte Baby ins Freie gespült wird, kommen die Dörfler, um Tische und Bänke übereinander zu stülpen. Wenigstens die Küsterin findet nun wieder ihre innere Balance.

Tosender Beifall am Ende - zumal für Anja Silja. Aber auch Amanda Roocroft als freilich neben ihr doch etwas farblos wirkende Jenůfa und Štefan Margita als Laca werden gefeiert und vor allem auch der hier sehr nuanciert und die frühe Fassung der Partitur Janáčeks von 1904 in kräftigen Farben am Pult malende Dirigent Jiři Kout. Unterdessen hat Udo Zimmermann sich wieder seiner Lieblingsbeschäftigung gewidmet und Diplomat gespielt. Einen Janáček-Zyklus hat er als Export verabredet mit Prag für die Spielzeit ab 2004. Bei dem soll auch diese Glyndebourne-Jenůfa mit gezeigt werden. Ob das dann allerdings auch sein Amtsverweser Ioan Holender noch eine zündende Idee findet, Janáček exportieren aus Berlin nach Prag, wird sich weisen.


Letzte Spülung

Ein junger Werther

21.Sept.2002

Heiligabend um Fünf. Waschabend bei Werthers Echter. Die Maschinentrommeln, leuchtend wie Christbäume, warten auf Fütterung. Und dass Charlotte weiß, was in solche hungrigen Mägen gehört außer dem ökologisch korrekten Pulver mit dem viel sagenden Namen Skip, hat sie als Mutterersatz im väterlichen Hause schon bewiesen bei der Raubtierfütterung der lieben Kleinen nach dem Einüben des Weihnachtslieds unter Stabführung des Wetzlarer Amtsmanns und Zipfelmützendirektors. Wie ein Rudel Wölfe saßen die Orgelpfeifen mit ihren Allongeperücken im Kreis, um von der Ersatzmami die leckersten Bissen aufzuschnappen.

Jetzt freilich geht’s ums Ganze, Endreinigungsphase, letzter Waschgang. Fast die gesamte Familie gibt sich ein Stelldichein im Waschsalon. Was hätte man auch Anderes zu tun an Heiligabend um Fünf? Albert, Charlottes selbstzufriedener Pomadier mit modischem Rattenschwänzchen im Kräuselhaar und dem Echtheitszertifikat auf der stolzen Sakko-Brust, erwischt beim Wäscheabholen die Angetraute, wie sie mühsam wieder ihre roten Pumps zu entern sucht. Die jüngere Schwester Sophie, die noch immer heillos verknallt ist in den Mann von der gelben Post, Werther, der seine Herzensergüsse immer noch per Brief expediert, sucht den Angebeteten. Hat der denn keinen schnellen E-Mail-Account?

Werther freilich bereitet, da Charlotte "es" nun doch noch nicht mit sich hat machen lassen wollen auf der Waschmaschine, den letzten, den Weich-Spülgang vor. Per Video-Einspielung sieht man ihn den besten Schusskanal ausprobieren auf dem Klo. Aus der Nachbarkabine linst Charlotte in die Todeszone. Mit Supersuper-Slow-Motion verlangsamt trudelt die Kugel schließlich in ihr Ziel. Und der Getroffene sinkt fast leblos unterwasser hinüber in die andere Welt. Die Geliebte paddelt als Nixe hinterher. Den Rest besorgen zwei Beamte von der Kripo – oder sind sie schon vom örtlichen Bestattungsunternehmen?

Dass Nachwuchs-Regisseur Sebastian Baumgarten - zuletzt Oberspielleiter in Kassel, ab kommender Spielzeit Chefregisseur in Meiningen - sich reibt an fest gefügten Opern-Strukturen, hat er nicht nur in seinen bisherigen Arbeiten gezeigt, er hat es auch immer wieder verbalisiert. Mit einigen flüchtigen Griffen in die Marthaler-Kiste versucht er hier anfangs sein Unbehagen zu überspielen. Die eigenwillige, auf einen Dreieckskonflikt nach Verdischem Vorbild zugespitzte Adaptation des Goetheschen Brief-Romans droht ihm schon zu zerbröseln unter den Fingern. Aber dann erreicht er in der zweiten Hälfte dieses Opernabends doch einiges mehr von der atmosphärischen Dichte, wie sie die Musik Jules Massenets ja eigentlich auch herausfordert.

Freilich auch musikalisch steht es mit dieser ersten Premiere an Berlins Deutscher Oper nicht zum Besten. Antonello Allemandi schlägt einen arg ruppigen Ton an. Erst allmählich lässt er auch etwas vom Parfüm dieses "Drame lyrique" spüren, findet zu einem weicheren, flexibleren Klang. Eine anfangs distinguierte Charlotte ist die schwedische Mezzosopranistin Charlotte Hellekant, im Ton schlank und geschmeidig, in den Schlussszenen freilich etwas schrill. Problematisch der Werther des Amerikaners Paul Charles Clarke. Die emotionale Überspanntheit der Figur weiß er lediglich in einer gepressten Tongebung zu verdeutlichen, alles Verführerische, Leichte fehlt.

Bestechend die Ausstattung von Hartmut Meyer (Bühne) und Hildegard Altmeyer (Kostüme). Ein transparentes Plastikzelt genügt als Blickfang für die Vorbereitung des Balls im ersten Bild. Pfiffig auch die Wand von Strohballen, aus der durch die sich öffnenden Türchen die sich blutig schnupfenden Paare im Hochzeitsbild des zweiten Akts wie aus einem Weihnachtskalender purzeln. Etwas abgenutzt wirkend freilich der Aufzug, der die um Lotte werbenden Männer ausspuckt, mal regulär aus der Kabine, mal TÜV-widrig durch den Schacht. Dass das Publikum am Ende das Regieteam fast einmütig ausbuhte, war angesichts des Kessels bunter Gags am Anfang zu erwarten. Vor allem resultiert das Unbehagen wohl aus der allzu brüchigen Erzählstruktur Baumgartens, die keinen Zugang öffnet zu Massenets Musik.

Immerhin ist dem Haus an der Bismarckstraße nach der zwar prätentiösen doch enttäuschenden ersten Spielzeit nun doch ein muntererer Auftakt zur zweiten gelungen. Dass Intendant Udo Zimmermann den Prestige-Gewinn aber durch jüngste Äußerungen schon wieder gefährdet, verwundert: Das Haus müsse wieder mehr mit Sänger-Stars prunken, um sich so abzugrenzen gegen die beiden anderen Opern-Institute der Stadt mit ihren beiden Regieführenden Intendanten an der Spitze, ließ er verlauten. Wie denn ausgerechnet ein gealterter Pavarotti mit einem einmaligen Auftritt - so er denn tatsächlich zustande kommt - der Deutschen Oper den durch schwache Inszenierungen hervorgerufenen Publikumsschwund ausgleichen soll, bleibt sein Geheimnis.

Konsequenz war freilich noch nie Zimmermanns hervorstechende Eigenschaft. Der Wind bläst ihm ins Gesicht, auch im Hause. Der Zwist mit seinem (derzeit) meist abwesenden Generalmusikdirektor Christian Thielemann ist nur ein äußeres Zeichen des Rangelns um Kompetenzen und Macht. Und die jüngst wieder von der Finanzverwaltung losgetretene Spardiskussion, die gleich mitten hinein manscht ins Eingemachte der Stadt, ist das Allerletzte, was die Stimmung heben könnte.


Musiktheater & Metier

Daniel Libeskind versucht sich an Messiaen’s Saint François d’Assise
29.Juni 2002

Den "zentralen Aspekt Liebe", sagt Daniel Libeskind beim Presseplausch vorweg auf die Frage nach dem Bühnenhandwerk, vermittele Messiaen über die Art, wie er die Musik konstruiert: Durch seine geradezu mittelalterliche Handwerklichkeit. Übersetzen könne man das nur durch ein "authentisches Engagement", meint der zum Szeniker mutierte Architekt. "Wir sind nicht so sentimental, dass wir das durch den Filter eines vergangenen, etwa des 19.Jahrhunderts, zeigen würden. Wir zeigen das in einer mehr nackten Art."

Was man sieht auf der Bühne - und die ganzen viereinhalb Stunden (netto) der Aufführung - ist eine Installation von "Micro-Spiralen", wie Libeskind die nennt: Kleine schwarze Würfel, immer mal wieder rotierend wie Betonmischer, Glückslostrommeln, Graburnen, Waschmaschinen mit den haut-reliefartig eingravierten Namen von Heiligen in Spiegelschrift. Mehr oder minder raffiniert beleuchtet werden die von oben, von unten, von der Seite. Auch schimmern sie schon mal bläulich rot wie glühende Flammen oder Öfchen. Und wenn alle oder fast alle dieser sieben mal sieben Micro-Spiralen rotieren, mutet das an wie eine umgestürzte, Gottes Zeit- und Zwitschermaschine oder ein ins Leere drehende Raupe. Quadratisch schräg in die Bühne eingelassen und nach vorn rautenförmig spitz zulaufend sind sie als Block.

Für das eigentliche Spiel auf der Bühne bleiben noch zwei Dreiecke von wenigen Quadratmetern, vorn links und rechts an der Seite. Für mehr als eine Verdoppelung des oratorisch Statuarischen dieser Messiaenschen Musik auf rot abgezirkelten Bahnen reicht das kaum; auf Scheinen gleichsam gleiten die Brüder daher. Ansonsten behilft sich die für die szenische Realisation verantwortliche, kurzfristig herbeigerufene Dramaturgin und Regisseurin Antje Kaiser mit einer an fernöstliche Kraft- und Schattenspiele oder das Tanzen von Derwischen erinnernden Gestik, die mangels Perfektion gelegentlich das Lächerliche streift. Lediglich im letzten der drei Akte mit dem Auftritt des Chors, der sich wie eine undurchdringliche Mauer vor den heiligen Franziskus auf seinem Weg ins himmlische Paradies stellt, gelingen auch eindrücklichere Momente.

Musiktheater und Metier - schärfer als sonst stellt sich die Frage an diesem Abend. Die Produktion von Olivier Messiaens einziger Oper Saint François d’Assise hat der Generalintendant der Deutschen Oper Berlin, Udo Zimmermann, zum Eckpfeiler seiner ersten Spielzeit erklärt. Und mit der Verpflichtung des Architekten Daniel Libeskind hat er zumindest einen Medien-Coup gelandet. Ein Opernabend der Superklasse wurde dieser Saint François aber nicht. Mit einem Wagnerschen Tristan hatte Libeskind zwar schon mal in Saarbrücken "geübt". Londons CoventGarden Opera hat ihm, der eben dabei ist in Manchester mit dem Imperial War Museum North einen weiteren expressionistischen Museumsbau zu öffnen, sogleich auch einen Ring angeboten. Den Vertrag allerdings habe er, wie Libeskind beim Pressegespräch bestätigte, noch nicht unterzeichnet. Und er sollte das sich auch noch mal überlegen. Den Darsteller vertreibt er ja eher aus seinem Paradies Bühne und damit letztlich auch den Zuschauer.

Es war gewiss nicht nur ein hartes Brot für die Beteiligten, den über hundert Köpfe zählenden Chor mit Extrachor, das Riesen-Orchester, die dicht am Souffleurskasten postierten Solisten, dies Werk der überirdischen Maße auf die Bühne zu stemmen. Das Einfrieren der Bühne zu einer dann auch nur am Rande begehbaren Installation, wie sie Libeskind so ähnlich schon als "spirituelles Experiment" zur Erzeugung einer "unsterblichen Stadt" vor zwanzig Jahren bei der Architektur-Biennale in Venedig als Writing Architecture Machine gezeigt hat und mit seinen 49 schräg aus dem Boden ragenden Beton-Stelen als Garten des Exils im Jüdischen Museum, stellt auch die Zuschauer auf eine harte Probe. Und die überschütteten denn auch am Ende das Regieteam mit einer Buhsalve, in der die wenigen Bravos untergingen. Der junge Dirigent Marc Albrecht am Pult müht sich redlich, diese Musik zum Leuchten zu bringen, aber allzu oft klingt das doch etwas viereckig ohne die irisierenden Brechungen der Farben, wie Messiaen sie komponierte. Frode Olsen ist ein eher steif-pfeilerner Franziskus, Ofelia Sala der lieblich hopsende Engel. Beide wurden sie vom Publikum heftig akklamiert.

Die Berliner Aufführung ist die erst vierte des Saint François seit der Uraufführung 1983 in Paris. Wurde das Stück dort in eine Art Nô-Theaterwelt entrückt, so in Salzburg von Peter Sellars (1992) ins Unwirkliche einer Video-Installation von, während Gottfried Pilz 1998 in Leipzig (ebenfalls von Zimmermann eingefädelt) einen schwarzen "Glaubensraum" wählte. Demnächst machen sich in San Francisco Nicolas Brieger und Hans Dieter Schaal ans Werk. Die Skepsis freilich über die Bühnentauglichkeit dieses Bekenntniswerks des Katholiken und Vogelfreundes Messiaen bleibt. In dieser vielleicht gerade fünf Minuten Spannung beim Zuschauen erzeugenden Aufführung werden sie eher noch verstärkt. Und Tanzberserker Johann Kresnik, der zwischenzeitlich mal als bereits zweiter (nach Xavier Le Roy) das Projekt szenisch betreuen sollte, hätte daran gewiss auch nichts geändert. Im Gegenteil.

In einem handschriftlichen offenen Brief vom 14.Juli 2002 an den Intendanten der DOB, den "Sehr geehrten Herrn Zimmermann", hat mittlerweile Messiaens Witwe Yvonne LORIOD ihren "großen Kummer wegen der szenischen Konzeption" zum Ausdruck gebracht:
"Muss es betont werden, dass es mir um eine sinngemäß richtige Darstellung der von Messiaen sehr ernst und aufrichtig gemeinten spirituellen Aussage geht, nicht das bloße Buchstabieren von einzelnen Regieanweisungen? Es war jedoch kaum zu übersehen, dass Daniel LIBESKIND seine (überdies wenig bühnentauglichen) szenischen Anordnungen ohne erkennbaren Bezug dem Werk meines Mannes übergestülpt hat. Gerade ein Sujet wie Saint François d’Assise setzt jedoch eine tiefgehende Auseinandersetzung voraus. Dass dies möglich ist, haben die bisherigen Inszenierungen des Werkes bewiesen. Leichtfertigkeit und Eitelkeit im Umgang mit einem solchen Werk können von mir aber aus verständlichen Gründen nicht widerspruchslos hingenommen werden und es beruhigt mich, große Teile von Publikum und Presse in dieser Frage mit mir einer Meinung zu wissen. Es mag schon sein, dass nahezu fast alles möglich ist - es ist deshalb aber noch nicht richtig."


Gecremte Torte

Cherubinis Médée in der französischen Originalfassung

8.Mai 2002

Das Stück verstieß gegen den Komment. Aber nicht, weil es etwa gefragt hätte, wer diese Medea war. War sie wirklich die rasende Wilde, Fremde? Tötete sie wirklich die eigenen Kinder, was nach altem Mutterrecht noch nicht mal ein Vergehen war, sondern geheiligtes Recht? Nein, das Stück pries nur einfach nicht den Sieg der Revolution. Es klagte vielmehr an das Töten Unschuldiger durch eine wie immer auch als göttlich sich verstehende Institution. 1793, im Jahr der Hinrichtung des Bourbonenkönigs Louis XVI, begann der Wahl-Pariser Luigi Cherubini mit der Komposition der Médée. Erst vier Jahre später erlebte die ihre Uraufführung. Da war die Schreckensherrschaft des Robespierre schon zu Ende. Ein Erfolg wurde die Oper nie. Zu sehr zwitterte sie zwischen Klassik und Romantik. Erst die Umarbeitung im Stil des 19.Jahrhunderts brachte ihr einen gewissen Erfolg. Die nach Maßgabe der Opéra Comique bei Cherubini gesprochenen Dialoge wurden von Schubert-Freund Franz Lachner auskomponiert in Rezitativen. Arturo Toscanini griff auf diese dann italienisierte Version zurück. Maria Callas fand in dieser Medea die Rolle ihres Lebens.

Sich solchem Maßstab auszusetzen - die Georgierin Iano Tamar wagte das schon mehrfach. Sängerisch bewältigt sie die Partie eindrucksvoll mit ihrem dunklen, kernigen Sopran. Unterstützt wird sie dabei von Gabriele Ferro am Pult des verkleinerten Orchesters der Deutschen Oper. Präzise artikulierend gibt Ferro der Musik Cherubinis Leichtigkeit und Kontur. Die Inszenierung des Ausstatterpaares Ursel & Karl-Ernst Herrmann hält diese Höhe nicht. Man sieht zwar erlesene Bilder in einem wie halb Psychiatriezelle, halb Oktopus-Greifarm nach hinten spitz zu laufenden Raum. Szenisch bleiben sie spannungslos. Die von Cherubini und seinem Textdichter François-Benoit Hoffmann auf ein Dreiecks-Ehedrama zwischen Jason, Medea und seiner neuen Frau gestutzte Geschichte um die als Fremde aus Korinth Ausgestoßene, lassen die Herrmanns auf einem bordeauxroten Bühnenboden spielen. Immer wieder öffnet sich die Rückwand in die Weiten des grünlichen Meeres. Auf der wie ein Landungssteg ins Wasser leckenden Zunge warten schon die Koffer.

Anfangs sieht man die erstickende Einwicklung der neuen Braut Glauke - hier Dircé genannt (Victoria Loukianetz) – in Meter weißen Tülls, bis sie, dirigiert von gouvernantenhaften Ankleiderinnen, wie eine gecremte Hochzeitstorte auf ihrem Schemelchen prangt. Auf einem zum Laufsteg mutierten Biertisch darf sie dann als Trophäe trippelnd Einzug halten in die Hofgesellschaft, umzirkelt von einem Purzelbäume schlagenden Clown. Medea wirkt in ihrem roten Kleid eher wie das Flammzeichen eines besorgten Hausmütterchens. Immer wieder flüchtet sie sich gebeugten Rückens aschenputtelgleich auf ihr Kummertreppchen in den ebenfalls dreieckig spitz zu laufenden Orchestergraben. Einen ersten großen Auftritt hat sie mit Expartner Jason. Oder sie packt still ihre Koffer, kramt daraus die dann wie auf einem leuchtenden Pfad von den Kindern der Nachfolgerin überbrachten Schächtelchen mit dem tödlichen Nesselkleid. Vor allem aber hantiert sie ewig mit dem Messer, dessen Einsatz man dann nur noch sehnlichst herbei fleht.

Darstellerisch überzeugen kann Iano Tamar nicht. Es fehlt dieser Medea aller Stolz der in die geheimen Künste der Medizin Eingeweihten. Vom Publikum gefeiert wurde aber vor allem sie. Man ist in Berlin ja schon dankbar, wieder schöne Stimmen zu hören. Die Herrmanns bekamen vom Publikum eine Mixtur aus Buhs und Bravos serviert. Auch Gabriele Ferro musste einige Buhs einstecken. Der lang erhoffte Durchbruch für die neue Intendanz war auch diese Premiere nicht. So verdienstvoll das Bekanntmachen mit einer der Berühmtheiten der französischen Revolutionszeit-Opern in der Originalfassung ist, die Musikgeschichte von Beethoven bis Weber hat sie doch längst aufgesogen. Und hört man genau in die Partitur, frischt Cherubini auch viel von dem auf, was in der fast vergessenen Literatur der Mannheimer Schule schon sehr viel wirkungsvoller präsent war.


Besuch vom Homunkulus

Fidelio in der Regie von Christof Nel

Premiere: 26.Feb 2002

Buhs noch in der dritten Vorstellung. Den Dirigenten musste der Intendant nach erbitterten Publikums-Protesten schon während der Premiere sofort danach austauschen. Statt Heinrich Schiff dirigiert nun Philippe Augin - nun ja. Den Regisseur konnte Generalintendant Udo Zimmermann nicht mehr wechseln. Aber eigentlich hätte diese Inszenierung von Christof Nel nie das Rampenlicht der Deutschen Oper Berlin erblicken dürfen. Allenfalls als Studentenjux mag sie durchgehen. Florestan ist hier, wie originell, Gefangener in einer Psychiatrie. Gattin Leonore kommt in blondierter Beethoven-Maske ihn als Florestan befreien. Wie ein Standbild ihrer selbst wankt sie Homunkulus gleich im braunen (sic!) Anzug über die Bühne. Gefängniswärter Rocco ist in der Maske eines TV-bekannten Kulturchefs einer lokalen Zeitung ihr ein Humus breitender Freund. Franz Hawlata, der Meininger Wotan des Vorjahrs, macht in dieser Rolle rundum die beste Figur.

Die Bühne von Jens Kilian ist als Zellen-Dreieck von Anfang an wie beimFreischütz an der Komischen Oper wieder mal so zu gebaut, dass die Regie sich nicht viel überlegen muss. Da wird der Befreiungschor zur Aufnahme-Session im Rundfunkstudio. Und erst im Schlussbild öffnet sich die Bühne zu einem Wartesaal für die Mitkranken. Frauen mit Puppen-Babys auf dem Arm erwarten den "Minister". Den Gefängnis-Direktor Pizarro, der sich da schon aufs Treppchen stellen will, kickt Pförtner Jacquino von der Zitronenkiste und stellt Florestan aufs Podest - das Fünkchen einer Idee des Regisseurs. Am Ende sitzt Florestan mit seiner Leonore dort im Dunklen.

Auch musikalisch lässt die Aufführung alle innere Spannung vermissen. Eva Johansson als Leonore fehlt es doch sehr an Strahlkraft ihrer Stimme für die Partie. Jyrki Niskanen gibt einen abwesenden Florestan, Fionnuala McCarthy eine görenhaft zickige Marzelline. Ein Trompeter samt schwarzem Engel warten von Anfang an am Bühnenrand auf irgendwen oder irgendwas. Vielleicht ja auf den ersten wirklichen Erfolg an dem Haus. Bisher vergeblich.


Widergänger

Hoffmanns Erzählungen in der Regie von Sven-Eric Bechtolf

18.Jan.2002

Auf das vielleicht schönste Bild muss man warten bis zum Schluss: Hoffmann in den Armen der Muse, sterbend in seinem mefisto-roten Frack und Haarschopf. Die Saufkumpane von der Luther-Kneipe werfen ihre schwarzen Zylinder auf ihn wie auf einen Grabhügel. Die Sängerin Stella alias Olympia-Antonia-Giulietta nimmt Abschied. Wo’s schon mit dem Leben und der Liebe nicht klappte – klappt’s nun vielleicht wieder mit der Kunst? Ein Kaleidoskop schöner Bilder haben Regisseur Sven-Eric Bechtolf und das Ausstatterpaar Marianne und Rolf Glittenberg in der Deutschen Oper Berlin entworfen. Aber es bleibt bei einer Reihung von Einzelbildern. Zu einer Antwort auf die Frage, was denn nun die Gefährdung dieses Künstlerlebens ausmache, verdichten sie sich nie.

Hübsch anzusehen die wie Musikinstrumente oder Kriechtiere geformten Kostüme im schwarz-weißen Bühnengrund, die raffinierten Spiegelungen im Venezianer Palast. Der Chor ist immer geführt als Gruppe. Das spart Arbeit, wirkt aber auf Dauer doch etwas langweilig. Zum Klein-Zack-Lied dürfen die Männer etwa mehrmals in Chorusline mit Hoffmann von hinten an die Bühnenrampe rücken, dann zum Pissen wie auf Kommando sich drehen. Im Physikalischen Kabinett des Spalanzani ruckeln sie wie Automaten. Das Haus Crespels ist gebaut wie ein Mausoleum mit einer schwarzen Riesenbüste. An deren Nabelschnur gleichsam singt sich die Tochter Antonia der Mutter hinterher in den Tod, vom als Cello kostümierten Dr.Miracle – einer der wenigen witzigen Einfälle – an sich selber accompagniert. Wie ein Widergänger seiner selbst scheint der Hoffmann durch diese Welten zu wandern. Starr, unbeweglich macht ihn das mit hoher Kragenkrause steife Kostüm. Er wirkt wie ohne innere Lebens- und Liebesglut.

Mit zwei großen Pausen zu einem vierstündigen Abend aufgeblasen, zerfällt diese Oper letztlich in ein Nichts, vom Publikum am Ende denn auch mit vielen Buhs fürs Inszenierungsteam quittiert, zumal auch Keith Olsen als Hoffmann sängerisch nicht die Qualitäten hat, die nötig wären, um den Abend zu binden. Zu rau, fast brüchig seine Tongebung, zu unflexibel sein Agieren auf der Bühne. Immerhin Brigitte Hahn als verdreifachte Stella und Yvonne Wiedstruck als Muse machen gute Figur. Und der Dirigent Asher Fisch findet allmählich auch zu differenzierteren Tönen, nachdem er das Orchester anfangs doch allzu kompakt aufspielen lässt. Als eine Art Geheimwaffe einer neuen Generation von Musiktheater-Nachwuchs-Regisseuren hatte Generalintendant Udo Zimmermann den jungen Schauspieler und Regisseur Sven-Eric Bechtolf, der zuvor schon in Zürich sich an Oper versucht hatte, für sein Haus angekündigt. Mehr als guten Durchschnitt liefert der aber nicht. Dass ihn der Stoff irgendwie was anginge, spürt man nie.

Gewiss spielt bei dieser einzigen Oper Offenbachs auch die Quellenlage eine Rolle. Die Contes d’Hoffmann wurden von den Autoren nie endredigiert. Immer wieder neue im vergangenen Jahrhundert aufgefundene Bruchstücke, ließen vor allem den Philologenfleiß sprudeln. Das Fragmentarische dieser "Erzählungen" dennoch zu einem Ganzen zu fügen, bedürfte es eines beherzteren dramaturgischen Zugriffs aufs Material. Den traut sich offenbar niemand zu, am wenigsten ein quasi Regie-Novize. Seinen Hoffnungsträger überfordert hat damit Udo Zimmermann. Und insgesamt wird es damit schon ziemlich eng um Zimmermanns Spielplan. Die Gunst der Saison gegenüber den in ihren Leitungen sich verändernden Häusern von Komischer Oper und Staatsoper hat er bisher kaum genutzt.

Nicht nur, dass er alle avantgardistischen Projekte mittlerweile gestrichen hat: Die Reihe mit neuem Musiktheater in der Akademie, das quasi Regie-Debut von Daniel Libeskind mit Messiaens François d'Assise zum Spielzeitende, immer als Top-Ereignis angepriesen. Ausgerechnet Hans Kresnik, nach seinem letzten Picasso-Ballett endgültig ausquartiert von der Volksbühne, soll das nun richten, Libeskind nur das Bühnenbild entwerfen. Das Ensemble aber wird dafür mit einer Uralt-Götz-Friedrich-Inszenierung von Figaro bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Korea gastieren. Wiedermal weist Zimmermann sich als ein Meister des Ankündigens, bedacht vor allem auf Prestige und Repräsentation nach dem Operetten-Motto: ist der Ruf schon ungeniert, lebt es sich ganz ungeniert.

siehe auch

Winkelemente aus dem Jenseits

Achim Freyer inszeniert Verdis Missa da Requiem

3.Nov.2001

 Unten im Keller sitzen die "Gegangenen". So nennt Achim Freyer den Chor dieses Verdi-Requiems. Immer mal wieder öffnet sich die Klappe zu denen da unten. Dann fahren sie wie in einer Karteitrommel rauf und runter. Mit Armen und Händen wie Winkelementen Signale setzend aus dem Jenseits. Auf den Ebenen darüber zwei Bänder wie lebende Friese. In der Mitte die "Gehenden", bizarre Figuren, Krüppel etwa mit zerschossenen Beinen, Armen; Kopflose, deren Köpfe wie Fußbälle daneben kullern und dann in Schubkarren, Handwägelchen, Schlitten von tief Gebückten aufgesammelt werden – "salva me" (rette mich) tönt dazu die Musik; oder eine Sonntagsgesellschaft, Kinder mit meinem Schimmel wie ein Riesen-Spielzeugpferdchen oder ein Puppen-Mädchen, das Gesicht verdeckt und einarmig, eine gläserne Kugel vor sich hin balancierend erst durchsichtig dann wie ein blutiger Ball.

Oder es tummelt sich da eine Parade von Handwerkern wie auf der Meistersinger-Festwiese: ein Zimmermann mit Säge, ein Baumeister mit Zirkel, ein Becker mit seinem Brotlaib, ein Uhrmacher mit Totenkopf-Uhr, eine Prostituierte mit Brüsten wie Tellerminen oder der Schlachtemeister mit dem Ochsenkopf. Die oberste Ebene gehört einer Figur, die Freyer den "Weißen Engel" nennt, mit stark geschminktem Mund, Blutstropfen wie Maria im Rosenhag auf dem weißen Kleid und einer Neonröhre statt Kerze in der Hand. Sie weist uns den Weg der Hoffnung. Aber auch deren schwarzer Konterpart ist aktiv mit Dreiecks-Flügel, ein Mann mit Sicheln an allen Händen und Füßen oder auch kukluxklan-artig Vermummte, die ihr Autodafé feiern. Vorn am Bühnenrand zieht eine Art Turmläufer von links nach rechts die gut achtzig Minuten der Verdischen Musik seine Bahn wie die tickende Uhr. "Einsam" nennt Freyer den, der Tenor mit blankem Oberkörper, der knapp aus dem fingerartigen Turm herausragt, eine Art lebendes Ausrufezeichen oder auch Wegweiser durch dies Reich der Schatten, der zum Tode Verdammten, die sich zum Schluss die Ballonmützen überziehen, und der noch Lebenden, die es am Ende dann gar nicht mehr gibt.

Mit religiösen Themen hat Freyer sich immer wieder befasst: Händels Messias hat er theatralisiert 1985 im Bach-Händel-Jahr an der Deutschen Oper, Bachs h-moll-Messe 1996 in Schwetzingen. Ein heimliches Faszinosum?

FREYER: Wir sind ja alle christlich erzogen. Man versucht so kritisch wie möglich zu sein. Wir wissen, welche verbrecherischen Wege Christentum genommen hat. Und all das scheint auf in dieser Inszenierung.

Auch das Personal von Freyers in Leserichtung verlaufendem Pandämonium kommt einem nicht ganz unbekannt vor. Etwa an seine nun schon viele Jahre zurückliegende Arbeit über Ovids Metamorphosen, als er zu Musik von Dieter Schnebel die Fantastik der antiken Mythologien auf die Bühne zauberte, fühlt man sich erinnert, aber auch an die Leipziger Uraufführung von Schnebels halbfertiger Majakowski-Oper, die im zweiten Teil durch eine Art Totentanz ergänzt wurde.

FREYER: Die Metamorphosen erzählen ja eine Geschichte über Jahrtausende Menschsein und Gott-Gegenwart, jede Art von Gott tritt in den Metamorphosen auf. Hier ist die Zeit etwas kürzer. Wir sehen das an dem Tenor, der als Turm die Strecke des Christentums markiert. Und der kommt nicht ganz über die Bühne, weil wir auch nicht am Ende mit diesem Thema sind. Aber es ist viel strenger als Metamorphosen. Es gibt nur eine Blickrichtung, eine Gehrichtung, wie wir lesen, von links nach rechts. Und einmal erlaube ich mir, wie Büchner sagt, was kann der liebe Gott nicht, das Geschehene ungeschehen machen. Wir machen es im Theater, wir können es. Ich drehe es zurück und korrigieren eine Szene und lasse nicht die Galionsfigur in kleine Stücke zerreißen, sondern lasse sie als eine Einheit weiter gehen, was natürlich noch verheerender ist…

Auch jetzt inszeniert Freyer nicht eigentlich Vorgänge. Fast emotionslos abgehoben wirken die Bilder gegen die stark emotionsgeladene Verdische Musik, geschichtet wie in einem Cageschen Collage-Verfahren, die Musik gleichsam in ein neues Gefäß gießend.

FREYER: Eigentlich kann man sich ja nicht verleugnen. Man hat seine Sprachmittel. Ich muss sie hier nur radikal einsetzen. Weil das keine Handlungsoper ist, überhaupt keine Oper und auch gar kein Theater braucht dieses Stück, bin ich sehr strukturell an dies Stück rangegangen. Da Verdi einen Lebenstanz in den Tod komponiert hat mit Höhen und Tiefen des Daseins, habe ich allen Figuren, die auf der Menschenbühne vorüberziehen eine einzige Geste gegeben, die einen Zustand menschlichen Daseins ausdrückt jeweils. Durch die immer wieder neue Kombination der Figuren, die wie bei Striese hinten rum gehen und dann vorne wieder kommen, entstehen immer wieder neue Kombinationen von Erzählungen, von Situationen, Liebende, Ehepaare Kriege. Und keiner ändert eine Geste und macht was anderes. Er hat höchstens mal ein anderes Kostüm an. Und trotzdem ist dieser Reichtum von 16 verschiedenen Gesten in Kombination ein ganzer Theaterabend.

Der nicht ganz taufrische Vorschlag zu dieser Arbeit war von Intendant Udo Zimmermann gekommen. Schließlich hat es das Requiem schon bis ins Tanztheater geschafft, und mit sehr eindrucksvollen Ergebnissen. Nicht vollständig beeindruckt war das Premieren-Publikum und meldete sich am Ende mit leisen Buhs für den Regisseur, während Chor und Orchester unter Michael Boder einhellig bejubelt wurden. Von den Sängern konnte vor allem Eva Johansson als Engel überzeugen, auch Ulrike Hezel als "Der-Tod-ist-die-Frau" mit Stachelkopf und spitzen Kegelbrüsten, die sie zum "libera me" (befreie mich) auch zeigen darf. Reinhard Hagen als "Der Beladene" muss immer mit dem Christus huckepack wie Christophorus sich quälen, während Miroslav Dvorsky als der einsame Rufer im Turm noch eine hübsche Strecke vor sich hat.

FREYER: Erzählt wird eine Geschichte, um das ganz grob inhaltlich zu sagen, dass die Menschen immer wieder durch Ideologien verführbar sind und dadurch ihre eigenes Denken vernachlässigen, sich an irgendwelche Gewalttaten hängen und so ihre Aggressionen befriedigen, was der Künstler Gott sei Dank mit anderen Mitteln kann. Meine Hoffnung in dem Stück ist die Kunst, und dass wir so schöpferähnlich sind. Wir haben den Schöpfer ja erfunden, und insofern sind wir sehr schöpferisch.


Balancieren auf schmalem Gebälk

Auftakt der neuen Intendanz mit Intolleranza

15.09.2001

 NO--NO. Mit schwarzen Lettern auf gelbem Grund schreit es von den Plakatwänden der Deutschen Oper Berlin, und in leicht veränderter internet-tauglicher Schreibweise dazu "in_tolleranza". Mit einem politisch-moralischen Ausrufezeichen - wie er das so gern hat - wollte der neue Generalintendant Udo Zimmermann seine Amtszeit an der Bismarckstraße beginnen. Mit der Berufung von Peter Konwitschny als Regisseur der Eröffnungspremiere ist ihm das in doppelter Weise gelungen. Seit seinem Debüt als Opern-Regisseur, 1977 im Apollosaal der Staatsoper mit der Uraufführung von Friedrich Goldmanns Hot, konnte der inzwischen Erfolgsgewohnte nie mehr in der Stadt eine Musiktheater-Premiere herausbringen. Ein Versuch mit Smetanas Verkaufter Braut an der Komischen Oper wurde von Chefregisseur Harry Kupfer 1985 abgebrochen.

Auch der Neuanfang an dem zwanzig Jahre von Götz Friedrich geprägten Charlottenburger Haus gestaltete sich eher schwierig. Selbständiges Denken war nicht gerade das, was der im Dezember verstorbene Theater-Prinzipal seinen Mitarbeitern tagtäglich einimpfte. Um so erstaunlicher das Ergebnis mit Luigi Nonos 1961 bei der Biennale in Venedig uraufgeführtem Stück. Alles Plakative hat Konwitschny der heute doch etwas kolportagehaft bemüht wirkenden Polit-Story um einen Fremdarbeiter, den es nach Jahren fern der Heimat wieder nach Hause zieht, der dabei in eine Demonstration und die Folter-Keller einer Geheimpolizei gerät, von einer sintflutartigen Überschwemmung an der weiteren Heimreise abgehalten wird und schliesslich zu der Einsicht kommt, "hier" am Ort müsse man bleiben und etwas verändern - alles Plakative hat Konwitschny der Geschichte ausgetrieben.

Reduziert hat er sie auf den menschlichen Kern. Die Gefährdung wird gezeigt in einer stummen Szene zu Beginn. Ein Bauarbeiter stürzt da beim Balancieren auf dem schmalen, die Bühne (Ausstattung: Hans-Joachim Schlieker) in der oberen Hälfte füllenden Gerüst in die Tiefe. Die innere Befindlichkeit des Arbeiters (Chris Merritt) wird gezeigt in den Beziehungen zu seinen Frauen, der blonden (Yvonne Wiedstruck) Freundin, deren rot lackiertes Bett er verlässt, und der "Gefährtin" (Melanie Walz), die er, entlassen aus den Folterkammern, in einem eisgrauen findet. Auch ein kleiner blutiger "Ehe"-Dreieckskrieg mit den beiden Frauen ist eingefügt, den ein beherzt auftretendes Kind beendet mit einer Champagner-Dusche, die der Autofreak Konwitschny à la Formel 1 sich gönnt.

Der Chor, im Verständnis des Komponisten Nono damals "die Massen", auf die er hoffte, ist von Konwitschny verbannt ins off. Per Live-Übertragung und Band-Einspiel ist er präsent über viele wie stumme Ausrufungszeichen das Bett umrahmende Lautsprecher. Nur einmal lässt Konwitschny ihn leibhaftig auf die Bühne. Das Licht im Saal wird dabei hochgefahren. Als eine Art stummer Schrei ist das inszeniert vorn an der Rampe mit einer direkten Frage ans Publikum "Und Ihr?"

Die leicht gespenstische Aktualität dieses Stücks über Kolonialismus (mit direktem Bezug damals auf den Algerien-Krieg), Gewalt und Faschismus ist akzentuiert durch eine neu eingefügte stumme Szene. Auf den quer über die Bühne laufenden Leuchtschrift-Bändern sind da die Schlagzeilen vom 11.September zu sehen, kommentiert von einem Betroffenheit mimenden Sprecher - eine Karikatur des Medienbetriebs. Die Frage, ob er nun nach diesem Datum das Stück anders inszenieren würde, beantwortete Konwitschny mit einem ehrlichen "weiss ich nicht".

Souverän leitete die Aufführung am Pult Peter Rundel, nach dem ursprünglich vorgesehenen Christian Thieleman, dann Kwamé Ryan, der absagte, als dritter engagiert. Einhellig war der Beifall für das gesamte Team war am Ende. Udo Zimmermann kann’s zufrieden sein. Und seine erste Spielzeit dürfte den anderen Berliner Häusern in dieser Saison mühelos den Rang ablaufen. Einige Raritäten, einige für die Stadt neue Regisseure sind dabei. Besonders stolz ist er auf das Engagement des Architekten Daniel Libeskind für die Schlusspremiere mit Messiaens Saint François d’Assise als religiöser Kontrapunkt zum politischen Komponisten Nono. In der Provinz hat Libeskind ja schon mal als Regisseur etwas "geübt". Man wird sehen.


noch in Friedrich-Ära:

Hummelflug am Laptop

Hans Neuenfels inszeniert Verdis Nabucco

26.Feb.2000

Zoff ist angesagt, wenn Hans Neuenfels am Regiepult steht. Zumal seine Verdis sorgten immer wieder für (mehr oder minder künstliche) Aufgeregtheiten. Das war so seit seinem Nürnberger Troubadour 1974 und dann insbesondere der Frankfurter Putzfrauen-Aida. Auch jetzt an Berlins Deutscher Oper brannte es wieder lichterloh. In Vorab-Interviews hatte der Alt-Zampano des Regietheaters Breitseiten geschossen: gegen Dirigenten, gegen Intendanten, gegen den Betrieb. Nun freilich keilte das Publikum zurück. Am Ende der Premiere brüllte es den Regisseur nieder, zumal als der auch noch Erklärungen an der Rampe abgeben wollte - derweil Hausherr Götz Friedrich von seinem Logenplatz an der Seite des Regierenden dem Ausgang zuwackelte. Aber auch schon während der Aufführung kam’s fast zum Stillstand: Erregte Buhs wurden kaum übertönt von matten Bravos, als die Götzen-Diener des Nebukadnezar alias Nabucco als Killerbienen über die Bühne hopsen. Doch was der Hummelflug soll? Eine Gift-Injektion in den Götzen-Unterleib des Hauses oder bloßer Gag von Ausstatter Reinhard von der Thannen?

Neuenfels will mit seiner Nabucco-Version eine Idee durchspielen: das Verdi-Stück über die Zerstörung Jerusalems und die Babylonische Gefangenschaft der Hebräer beim Assyrer-Nekrozar will er zeigen als fiktionale Holocaust-Metapher: Was wäre wenn ich Jude wäre würde steht auf drei grünen Stellwänden. Mit Pappkartons auf der Palette machen die sich auf die Reise. Und am Ende liegen die Juden hingemeuchelt von ihren sehr deutschen Kleingartenzwergen wie in einer Gaskammer. Selbst Abigaille, die Möchtegern-Königin in Dollarprinzessinnenkleid und babelturmhohen Hütchen erleidet mit dem Vater, dem sie nach dem Thron trachtete, den Erstickungstod - im Klubsessel. Die eindrucksvollste Szene, die Neuenfels gelingt, ist wohl die, wenn der im Wahn delirierende König Nabucco die andere Tochter Fenena an einer Glastür vorbeihuschen sieht: mit aufgerissenen Augen und Mund wird sie in die Öfen gestoßen. Und ein szenischer Höhepunkt ist auch das Herzstück dieser Verdi-Oper, der Gefangenenchor. Wie ein Stelenfeld stehen die Juden da auf der Bühne, ein gleichsam lebendes Holocaust-Denkmal, während das Licht im Saal aufglimmt. Verdi freilich kickte mit diesem Wunschkonzert-Hit das Wir-Gefühl der Italiener hoch im Befreiungskampf gegen Habsburg. Aus diesem Zwiespalt kann Neuenfels sich nicht wegeskamotieren.

Insgesamt bleibt die Aufführung eher matt und bruchstückhaft. Ein von Neuenfels hinzuerfundenes Jugendlichenpaar als Alter ego soll per Laptop den Link zur Gegenwart legen. Aber die Gestik der beiden ist zu unbeholfen "realistisch", zu wenig abstrahiert und über sich hinausweisend; die am Bildschirm veröffentlichten Kommentare klingen allzu floskelhaft. Wie zerstückelt beginnt es schon musikalisch mit Marcello Viotti am Pult. Seine Tempi klingen leicht verschleppt, die Farben trägt er etwas dick auf. Dabei hatte Neuenfels mit dem Protagonisten-Trio Susan Neves als stimmmächtiger Abigaille, Alexandru Agache als differenziert spielendem, wenn auch zuletzt mit Stimmband­problemen haderndem König Nabucco und Askar Abdrasakov als die Juden führendem Hohepriester, hervorragende Solisten; und als "Hauptperson" den immer noch exzellent agierenden und intonierenden Chor. Der große Befreiungsschlag aus der lähmenden Lethargie des Hauses an der Bismarckstraße in der dem Ende sich neigenden Götz-Friedrich-Ära wurde es nicht. Dazu fehlt es Neuenfels wohl selbst schon an künstlerischer Kraft. Selbst sein getanzter Kommentar zum derzeit um Peter Konwitschnys Dresdner Csárdásfürstin tobenden Opernregie-Urheberrechts-Krimi war kaum mehr als ein modisches Aperçu. Nabucco, der sich selber schon wie ein Trinker vervielfacht wähnt, sieht sich umkreist da unter anderem auch von seinem kopflosen Konterfei.